MICHAEL ARENS' SOUL TRAIN

 

 

 

 

 

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INTERVIEW / RAUL MIDÓN

 

 

 

 

 

Raul Midón - Definition von Pop

Aktuelles Album: Raul Midón - „A World Within A World” (Manhattan/EMI)

 

Stevie Wonder ist der Mann, mit dem Songwriter, Sänger und Gitarrist Raul Midón immer wieder verglichen wird. Zu Recht. Ist es doch ein eklektischer Beleg für das einzigartige Talent des von Geburt an blinden Vollblutmusikers Midón. Obwohl er bereits vor seinem 2005er Album „State Of Mind“ (Manhattan/EMI) Alben herausbrachte, bezeichnet Midón selbst sein neues Album „A World Within A World“ (Manhattan/EMI) als sein „Zweites“.

 

Die „Welt innerhalb der Welt“ ist nicht nur eine schöne Umschreibung seiner Musikphilosophie sondern zugleich die logische Fortführung seines hoch gelobten und immens erfolgreichen „State Of Mind“-Albums, dass, ähnlich dem neuen Longplayer, Jazz und Pop zu einer einzigartigen, unglaublich lebendigen Mischform des Soul verschmilzt. Das lässt den Soul Train natürlich aufhorchen - Raul stellte sich den Fragen…

 

 

Michael: Egal, auf welcher Seite im Internet ich gerade bin oder welches Magazin ich aufschlage: Du wirst immer wieder mit Stevie Wonder verglichen. Stört dich das?

 

Raul: Nein. Das stört mich nicht. Ich muss aber von Herzen sagen, dass ich mich in keinster Weise auch nur annähernd für so talentiert halte wie Stevie Wonder. Ich habe gerade zwei Alben gemacht. Wenn meine Alben in vielen Jahren noch immer so wirken wie Stevies „Innervisions“ oder „Talking Book“…super. Ich bin mir da im Moment überhaupt nicht sicher.

 

Michael: Dein, wie du es nennst, Debütalbum „State Of Mind“ wurde von Kritikern geliebt, und verkaufte sich traumhaft, was gerade in diesen Zeiten eine seltene Kombination ist. Erzeugt das nicht einen immensen Druck bei Album Nr. 2?

 

Raul: Erfolg kann schon sehr ermüden. All das Reisen, die Interviews (lacht)… Es gibt keinen Weg, auf das vorbereitet zu sein. Jeden Tag, den ich aufwache und realisiere, was ich gerade mit meiner Musik mache, ist für mich ein Wunder. Es ist so ein ungewöhnliches Zusammenspiel von Umständen und Ereignissen, dass ich das heute machen kann. Ich bin bei einem Label, dass, ungewöhnlich genug in der heutigen Zeit, besonders in der Führungsspitze, ernsthaft interessiert ist, gute Musik zu machen. Und dass ist heute extrem rückläufig. Die Sterne standen in perfekter Konstellation für mich. Und das muss ich ausnutzen, denn alles im Leben hat ein Ende.

 

Michael: Eine philosophische Betrachtung des Künstlers Raul Midón?

 

Raul: Na ja, eine meiner Erfahrungen ist es, dass in Europa die Menschen etwas tiefer gehen in ihren Fragen und ihren Interessen...

 

Michael: …das ist nett formuliert…

 

Raul: …ja, wie Immanuel Kant (lacht). Nein, ehrlich, ich kann bisher nur Gutes vom aktuellen Erfolg berichten. Und „A World Within A World“ ist eine Fortführung von „State Of Mind“, zugleich ist es anders. Ich bin lange genug dabei und zu wissen, dass du ein Album zunächst mal für dich machst.

 

Michael: Eine weitere Sache, die ich bemerkenswert finde, ist, dass sich dein Album trotz einer offensichtlichen, stilistischen Vielfältigkeit zusammenfassend stark nach echter Soul Musik anhört. Zugleich lese ich im Zusammenhang mit deiner Musik immer wieder das Wort „Pop Musik“. Wie passt das alles zusammen?

 

Raul: Soul, ja. Ich bin sehr glücklich, dass ich zwei Alben machen konnte, die ich wirklich machen wollte. Ich wurde nicht gezwungen, irgendwas aufzunehmen, dass ich nicht machen wollte. Ich bin tatsächlich sehr stolz auf beide Alben…

 

Michael: …dir ist natürlich schon bewusst, dass du dich sehr glücklich schätzen kannst, so freie Hand bei deinen Alben haben zu dürfen.

 

Raul: Das ist mir sehr bewusst. Die meisten Künstler müssen Kompromiss-Alben machen. Ich musste das zum Glück nicht. Besonders stolz bin ich auf das neue Album, auf dem ich, denke ich, etwas mehr in die Tiefe ging. Auf „A World Within A World“ erkunde ich also das Soul-Element ein bisschen mehr, ein bisschen mehr Urban, und ein bisschen mehr von meiner Latin bzw. Argentinischen Seite, besonders mit Songs wie „Caminando“ (Raul Midóns Vater ist Argentinier, seine Mutter Afroamerikanerin, Anm. d. Verf.). Da ist also schon eine gewisse Soul-Tradition, aber auch all die anderen Musik-Traditionen, die sich auf dem Album finden. Ich muss es noch einmal sagen: Ich bin sehr stolz auf das Album, stolz auf den Weg, wie es veröffentlicht wurde, stolz darauf, dass ich es geschafft habe, Song zu schreiben, die mir schon sehr lange am Herzen gelegen haben, neue Worte ausprobieren. Das neue Album zu machen, hat mich praktisch dazu gezwungen, musikalisch gesehen tiefer zu graben.

 

Michael: Und dieses böse Unwort „Pop“?

 

Raul: Pop Musik ist eine der Kunstformen, die sicher am meisten unter der Industrialisierung von Musik gelitten hat. Den Zustand, in dem sich Musik im Allgemeinen gerade befindet, kann man nur als sehr, sehr traurig beschreiben. Es ist natürlich ein Fehler, hier von aller Musik zu sprechen, aber gerade Pop Musik geht wirklich den Bach runter. Es gibt eine Menge guter Musik da draußen, aber das meiste wirst du niemals im Radio hören. Die überwiegende Zahl dieser Musik nennt sich auch nicht Populäre Musik, das liegt aber nicht an der Musik selbst, sondern an den Kräften und den Dynamiken der Musikbranche, die die Musik dahin getrieben hat, wo sie jetzt ist. Das war nicht immer so. In den alten Zeiten war z.B. Benny Goodman Pop Musik, Cole Porter machte Pop Musik, Paul Simon und James Taylor machten großartige Pop Musik, aber sie hatte echte Kunst in sich…

 

Michael: …wo wir genau am Punkt wären.

 

Raul: Wenn ich von Pop Musik spreche, meine ich das im weitesten Sinne, und im positivsten. Ich bin ein Riesen-Liebhaber von Jazz, von klassischer Musik und allen möglichen anderen Stilrichtungen. Aber die beste und erfolgreichste Pop Musik ist für mich die Art Musik, die ein möglichst großes Publikum erreicht, dabei aber zugleich interessant ist. Ganz wie die zwei, die ich schon erwähnte, Paul Simon-Alben z.B., die großen Stevie Wonder-Alben, James Taylor…all diese Leute haben ein sehr breites Publikum erreicht. Dabei ist ihre Musik interessant. Sie haben kein Publikum erreicht, weil sie sich angebiedert haben und Musik speziell für diesen Grund gemacht haben. Das wäre auch nicht meine Musik. Ich spreche von meiner Musik als Musik, die die besten Elemente der Pop Musik nimmt und sie mit der Art Musik kombiniert, die ich liebe. Pop Musik ist auch eine Melodie, die Menschen mitsingen, eine bestimmte Hookline, bestimmte Texte, die mitgesungen werden. Das Ganze sollte also eine universelle Gefälligkeit haben, zugleich aber persönlich bleiben. Das ist, was ich unter Pop Musik verstehe.

 

Michael: Das alles macht „A World Within A World“ am Ende ja auch aus…

 

Raul: “A World Within A World“ ist nicht für die Oberflächlichen gedacht, und ich weiß dabei nicht, wie lange ich innerhalb der Pop Musik existieren werde. Ich bin einfach zu interessiert an guter Musik, es kann und wird also nicht immer nur Pop Musik sein. So sehe ich das zumindest.

 

Michael: Du kannst dabei nicht verleugnen, dass dir von Mutter Natur ein Talent in die Wiege gelegt wurde…

 

Raul: Brauchst du Talent, um die Musik zu machen, die ich mir anhöre? Ja. Brauchst du Talent, um in der Musikbranche eine Menge Geld zu verdienen? Wir alle wissen: Nein.

 

Michael: Zur Sache: Wie muss ich mir die Arbeit im Studio am neuen Album vorstellen?

 

Raul: Eine Sache, auf die Joe (Joe Mardin, Sohn von Arif Mardin und Produzent des neuen Albums, Anm. d. Verf.) bestand, war, dass ich eigene, neue Songs schreibe. Ich hatte zwar einen ganzen Katalog an „alten“ Songs, die es nicht auf „State Of Mind“ geschafft hatten, aber Joe bestand darauf, mich hinzusetzen, und neue Songs aufs Papier zu bringen. Denn das würde eine ganz neue Qualität, ein besseres Album ergeben. Songs über aktuelle Dinge, die mich bewegen. Diese Songs wurden dann im Studio praktisch „zusammengebaut“, was für mich ein komplett neuer Prozess war. Die Songs von „State Of Mind“ wurden bis auf einige wenige alle vor Publikum getestet, aber bis auf „Peace On Earth“ wurde kein einziger Song auf „A World Within A World“ vorab getestet. Wir erstellten echte Demos und arbeiteten uns im Studio richtig vor, was oft sehr herausfordernd und hart war. Ich war sozusagen die ganze Zeit im „kreativen Modus“. 24 Stunden am Tag. Ich wachte nachts auf, hatte Ideen, schrieb sie nieder, probierte Dinge aus. Es war sehr intensiv, schreiben, singen, aufnehmen, arrangieren, alles zugleich.

 

Michael: Erzähl mir mehr von deiner Arbeit mit Joe Mardin als Produzenten. Beim ersten Album war ja sogar noch Arif, Joes Vater, dabei.

 

Raul: Ich war tatsächlich der letzte Künstler, der für „State Of Mind“ mit Arif Mardin arbeiten durfte (Arif Mardin verstarb im Juni 2006, Anm. d. Verf.), einer der ganz großen Produzenten, Arrangeure und Musik-Lichtgestalten aller Zeiten Mit Joe hatte ich dabei stets totales Vertrauen. Ich vertraue eigentlich keinem Produzenten, denn die meisten, sogar fast alle, mit denen ich zusammen gearbeitet habe, waren eine Enttäuschung. Arif war schon weit jenseits von dem, was ich in Bezug auf Produzenten kannte, und Joe hat diese Tradition fortgeführt. Bei „Pick Somebody Up“ überzeugte mich Joe zum Beispiel, es doch mal mit einer Art Rap zu probieren. Ich habe es also einfach ausprobiert und es wurde richtig cool. So funktionierte das zwischen uns. Musik braucht Vertrauen. Und wir brauchten Vertrauen, um da hin zu kommen, wo wir hinwollten. Es ist wie mit dem Konzertveranstalter, der dich nicht buchen will, weil du bisher als Act keine Tickets verkaufen konntest. Wie kannst du aber Tickets verkaufen, wenn du nicht gebucht wirst?

 

Michael: Fazit?

 

Raul: Ich glaube an das, was ich bei anderen Künstlern gesehen habe. Wenn du als Künstler das tust, was dich wirklich ausmacht, wenn du dir selbst treu bleibst, wirst du Fans für den Rest deines Lebens haben. Wenn ich mir jemanden wie Joni Mitchell anschaue, die durch so viele Veränderungen gegangen ist, und so viele Fans lieben sie gerade wegen ihres Wachsens und ihrer Veränderung. Und ich bin einer von ihnen. Am Ende eines Tages musst du einfach wissen, wer du bist, du musst ein friedfertiges Zentrum in dir haben. Meine Musik soll die Zeiten überstehen. Ich hoffe zumindest, dass sie das tut.

 

© Michael Arens

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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