MICHAEL ARENS' SOUL TRAIN - Your monthly Mag for Soul, Funk, RnB, Smooth Jazz & Urban Grooves |
|
INTERVIEW |
|
|||
|
|||||
|
|
Sérgio Mendes - The Look of Sérgio Mendes Aktuelles Album: Sérgio Mendes - “Encanto“ (Concord Records/Universal Music) |
|||
|
|||||
Sérgio Mendes
Sérgio Mendes
Sérgio Mendes
Sérgio Mendes & Will.i.Am
Sérgio Mendes - “Encanto“ (Concord Records/ Universal Music) |
Es kommt nicht oft vor, dass wir beim SOUL TRAIN echte Musiklegenden, auch wenn dieses Wort mehr als überstrapaziert ist, begrüßen können. Sérgio Mendes ist so eine Legende. Der am 11. Februar 1941 in Niterói im brasilianischen Bundesstaat Rio de Janeiro geborene Pianist, Arrangeur, Sänger, Produzent und Weltenbummler Mendes war bereits in den frühen Sechziger Jahren als Bandleader unterwegs. Nachdem er 1963 bis 1964 eine Tournee durch Italien, Frankreich und Japan gemacht hatte, ließ er sich in den USA nieder.
1965 nahm er als Bandleader der Formation Brasil ’65 die ersten Platten auf, die international den Künstler Sérgio Mendes ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückte, sodass ab 1966 die Gruppe und ihre Musik unter dem Bandnamen Sérgio Mendes & Brasil ’66 fortbestand. Sängerin der Band war keine geringere als Lani Hall, Ehefrau von Herb Alpert, wohl einer der Profiliertesten und einflussreichsten Musik-Persönlichkeiten dieses Planeten. Nicht nur als Trompeter erlangte Herb Alpert zu Weltrum. Er begründete 1962 mit Jerry Moss auch das legendäre Label A&M Records, dass uns besonders durch die Siebziger Jahre so unvergessene Acts wie The Police, The Carpenters oder Carole King lieferte.
Doch zurück zu Mendes. Zu seinen größten Hits zählen zweifellos die Coverversion des Burt Bacharach-Klassikers “The Look Of Love“, im Besonderen aber “Mas Que Nada“, dass bis heute mit seiner Peron fest identifiziert wird. Und dass, obwohl das Original von Jorge Ben ist. Ein Umstand, der nur wenig bekannt sein dürfte.
Brasil ’66 löste sich in den Siebziger Jahren praktisch auf, erfuhr in den Achtzigern eine kurze Wiederbelebung. Mendes indes produzierte kontinuierlich Musik, die im so urtypischen Mendes-Stil Anhänger von Jazz, Soul, Pop und dem, was wir heute so lapidar Easy Listening nennen, geradeaus überzeugte. Eine tragende Rolle spielten dabei seine brasilianische Wurzeln, die Leichtigkeit, mit der Sérgio Mendes seine muskalische Magie rüberbrachte.
Auch, wenn die Abstände zwischen den Alben seit den Achtziger Jahren größer wurden, gilt Mendes bis heute als eines der ganz großen Aushängeschilder in Sachen brasilianischer Jazz- und Soul-Beeinflusster Musik. Mit jenem Spritzer Bossa Nova, Samba. Südamerikanisch, Latin, Mendes.
2006 veröffentlichte er, nach einer fast zehnjährigen Pause, das “Timeless“-Album (Concord Records/Universal Music), dass die Handschrift vom Rapper der Gegenwart als Zeitzeuge schlechthin trug: Will.i.Am. Seines Zeichens Frontmann der Black Eyed Peas und Urban-Superproduzent der Stunde. Ganz am Rande sei erwähnt, dass die Black Eyed Peas bei A&M Records unter Vertrag sind. Der Kreis schließt sich…
Mendes’ Musik galt mittlerweile auch bei jungen Leuten als Kult. So blieb es nicht aus, dass sein Output einen neuen, zeitgenössischen Anstrich erhielt. Auffällig am Album war indes, dass es sich dabei mehr um ein Marketing-Modul handelte, denn um ein neues Sérgio Mendes-Album…
Dieser Tage veröffentlicht Mendes nun endlich sein neuestes Werk - “Encanto“. Ein Album, dass eindeutig wieder mehr und Tiefschürfender seine Handschrift trägt. Gäste auf dem 14 Stücke währenden, hervorragenden Album sind unter anderem Fergie, Siedah Garrett, Natalie Cole oder Carlinhos Brown. Ebenfalls dabei ist Herb Alpert und Lani Hall, die erstmals seit ihrer Brasil ’66-Zeit wieder auf einer Veröffentlichung von Mendes dabei ist. Herb Alpert spielt gar zum aller ersten Mal überhaupt auf einem Projekt von Sérgio Mendes mit.
Mendes nahm das Album fast komplett in Brasilien auf. Dabei war es ihm offensichtlich wichtig, “Encanto“ einen internationalen Anstrich zu geben, eine andere, neue Identifikation. Auch das ist Sérgio Mendes. Und so finden sich nicht nur amerikanische Mitstreiter auf dem Longplayer, sondern auch internationale Größen wie etwa Jovanotti aus Italien, oder Juanes (Kolumbien), oder Zap Mama aus Frankreich. Ein besonderer Leckerbissen für uns Deutsche: Till Brönner wurde die Ehre zu Teil, “Somwhere In The Hills“ mit Trompete und Flügelhorn zu perfektionieren.
Ein neues Sérgio Mendes-Album, eine neue Zeitrechnung. Da bestand für den SOUL TRAIN natürlich dringend Redebedarf…
Michael Arens: “Als großer Fan deiner Musik fällt mir natürlich sofort auf, dass Herb Alpert erstmalig mit dabei ist. Und dass Lani Hall wieder mit im Boot ist… nach all diesen Jahren seit Brasil ’66.“
Sérgio Mendes: “Es ist eine sehr schön Sache, dass Herb auf einem neuen Album mitgemacht hat. Er hat noch nie zuvor auf einem meiner Alben mitgespielt. Er war dabei so wichtig für meine Karriere. Und natürlich war seine Frau Lani Hall meine Sängerin bei Brasil ’66. Für mich ist das sehr bewegend, dass Herb nach so vielen Jahrzehnten auf “Encanto“ mitmacht.“
Michael Arens: “Wie kam die Zusammenarbeit zu Stande?“
Sérgio Mendes: “Herb und Lani leben hier in Los Angeles. Wie ich. Wir sehen uns von Zeit zu Zeit. Als ich aus Brasilien mit einigen Songs im Gepäck zurückkam, rief ich sie an. Und sagte Lani, dass ich es lieben würde, wenn sie auf meinem neuen Album einen Tracks singen würde. Ich fuhr also zu ihnen, hatte “Dreamer“, einen Instrumental-Track, den ich vor vielen, vielen Jahren aufgenommen hatte, im Gepäck. Diesen Song hatte ich mir für Lani ausgesucht. Ich spielte, nebenbei erwähnt, genau diesen Song vor vielen, vielen Jahren in Clubs in Brasilien. Jedenfalls waren beide, Herb und Lani, sofort überzeugt von dem Projekt. Ich habe einen Freund hier, Peter Wolf, aus Österreich. Er hat ein wunderbares Studio hier in Malibu. Wir sind einen Nachmittag dort hingefahren, haben ein paar Takes aufgenommen, und fertig war der Song. Ich liebe das Stück. Es ist wunderbar geworden.“
Michael Arens: “Wenn man auf die Jahrzehnte zurückblickt und sieht, dass damals Herb Alpert dein Mentor war, der jetzt auf deinem Album Trompete spielt…“
Sérgio Mendes: (lacht) “Ja, das ist verrückt. Fühlt sich an, als wäre es erst letzte Woche gewesen, als alles losging. Dabei… na ja…“
Michael Arens: “Ich mochte “Timeless“ sehr. Aber “Encanto“ hört sich wieder mehr nach dir selbst an!“
Sérgio Mendes: “Du hast Recht! Bei “Timeless“ war es mir wichtig, das Will.i.Am sein eigenes Ding in das Album einbringt. Das liebte ich. Es war eine großartige Erfahrung. All die Gäste kamen hinzu. Q-Tip, Jill Scott, und so weiter. Dieses Mal habe ich Will nach Brasilien gebracht. Er sollte meine Wurzeln kennen lernen. Ich habe fast alles am Album selbst gemacht. Es wurde in Rio de Janeiro und Bahia aufgenommen. Du hast also vollkommen Recht – das Album bin mehr ich als “Timeless“. Ich war so viel mehr involviert. Aber Du weißt ja, wie das ist. “Timeless“ war eine Art erste Erfahrung mit Will. Mit “Encanto“ wollte ich mein Ding machen.“
Michael Arens: “Encanto“ zeichnet auch wieder das aus, was bei deinen Alben für mich immer ein wichtiger Charakterzug war: Es klingt eher wie ein langer Song, denn ein Dutzend guter Stücke.“
Sérgio Mendes: “Ja, Du hast Recht. Im Studio in Brasilien zu sein, und die Songs mit meinen Freunden wie Carlinhos Brown, Gracinha Leporace, etc. auszuwählen, hatte was davon. Das Album ist mehr eine Art Kontinuum, eine Art ständiger Weiterführung des überall präsenten Grundthemas. Es hat einen bestimmten Flow, ist eine Zelebrierung von wunderbaren brasilianischen Songs.“
Michael Arens: “Gerade das, die präzise Auswahl der Stücke und der genauen Reihenfolge auf dem Album, macht doch ein Album erst zu dem, was es sein sollte!“
Sérgio Mendes: “Ich bin sehr froh, dass Du mir das sagst. Ich mag das sehr. Ich werde immer wieder nach Downloads gefragt. Was ich davon halte, dass die Kids sich die ganze Musik im Netz runterladen. Meine Antwort ist dann immer: “Mach’ ein großartiges Album mit 12 fantastischen Songs. Und die Leute wollen das Album haben!“ Ja, ich bin sehr glücklich, dass Du das gerade gesagt hast. Ich bin ganz genau so. Ich habe gerne das komplette Album!“
Michael Arens: “Mit gefällt ebenfalls, dass das neue Album mit “The Look Of Love”, gesungen von Fergie, anfängt. Ein extrem gelungener, neuer Ansatz mit aktuellem Beatgefühl. Die Coverversion einer Coverversion einer Coverversion, wenn Du weißt, was ich meine…”
Sérgio Mendes: “Das ist interessant. Als ich 1968 die originale Version aufgenommen habe, hörte ich im Radio die Version von Dusty Springfield. Zu der Zeit hatte ich noch nie von Burt Bacharach gehört. Und ich sagte mir, „das hört sich wie amerikanischer Bossa Bova an…“. Nachdem ich dann schließlich Burt Bacharach getroffen hatte, erzählte er mir, dass er von Bossa Nova inspiriert ist. Dann habe ich den Song aufgenommen. Es wurde ein sehr großer Hit für mich.“
Michael Arens: “1968!“
Sérgio Mendes: “1968! Als ich jetzt wieder in Brasilien war, wollte ich den Song mit neuen Vocals aufnehmen. So wie vorher bei “Mais Que Nada“. Aber in einer sehr zeitgenössischen Art und Weise. Mit einem frischen Beat und allem. Fergie nicht zu vergessen. Ich finde, dass die Version auf “Encanto“ eine frische, neue Variante von “Look Of Love“ geworden ist. Ich mag den Song sehr!“
Michael Arens: “Warum, glaubst Du, hat brasilianische Musik einen so hohen kulturellen Stellenwert in der Welt?“
Sérgio Mendes: “Ich denke, es hat mit der kulturellen Vielfalt zu tun, die wir da unten haben. Wir haben Afrikaner, Portugiesen, Holländer, Italiener, Franzosen… All diese Vielfalt brachte eine Menge Vermischung mit sich. Rhythmen, Melodien, Songs. Und dann ist da das Wetter. Es ist sonnig, es ist warm. Wenn ich an brasilianische Musik denke, ist es alles irgendwie wie Fußball. Darauf läuft es wohl hinaus. Es hat was mit Freude zu tun. Die Freude, Musik zu machen. Wenn Du zum brasilianischen Karneval gehst, siehst Du den Geist Brasiliens. Die Menschen tanzen auf den Strassen. Brasilien ist ein sehr eigenwilliges Land, was Besonderes. Sehr talentiert, musikalisch. Und auch wieder im Fußball. Wenn Du drüber nachdenkst sind Fußball und Musik die beiden ganz großen Leidenschaften. Selbst die sehr, sehr armen Leute spielen Fußball und machen Musik. Es liegt im Blut…“
Michael Arens: “…Rhythmus im Blut…“
Sérgio Mendes: “Ich liebe den Fakt, dass unsere Rhythmen eindeutig afrikanischer Herkunft sind. Wahrscheinlich. Zusammen mit der ganzen Vielfalt, die ich erwähnt habe. Das macht es aus. Eine Menge Kulturen. Im Süden haben wir sogar eine Menge Deutsche! Kultureller Reichtum.“
Michael Arens: “Eine Menge großer Namen versammeln sich auf “Encanto“ zum Stelldichein.“
Sérgio Mendes: “Ja. Bei dem Natalie Cole-Song, “Somewhere In The Hills (O Morro Tem Vez)“, zum Beispiel, spielt Herb Flügelhorn. Meine Idee war von Anfang an, zu teilen. Eine Art Dream-Team zusammen zu stellen. Menschen aus verschiedenen Kulturen, verschiedenen Orten und Ländern mit einzubringen. Damals mit Brazil ’66 hatte ich immer die gleiche Band. Und dieses Mal wollte ich Gäste aus der ganzen Welt dabei haben. Ich bekam dann einige Platten aus Deutschland geschickt. Und ich hörte Till Brönner Trompete und Flügelhorn spielen. Und war sofort begeistert. Also rief ich ihn an. Er war sofort Feuer und Flamme. Ich schickte ihm mein Tape mit dem Song. Und er hat dafür ein Solo in seinem Studio in Berlin aufgenommen. Dann traf ich ihn vor einigen Monaten. Da hat er mich eingeladen, auf seinem neuen Album zu singen, was ich auch machen werde. Es ist eine neue Freundschaft. Siehst Du, dass ist es doch, worum es in der Musik geht.“
Michael Arens: “Wie sehen deine Pläne für die nächste Zeit aus?“
Sérgio Mendes: “Wir kommen bald nach Europa, um das Album zu promoten. Am 11. Juli spielen wir auf dem Rotterdamer North Sea-Jazzfestival. Am 13. Juli werden wir live in Österreich sein. Im Wiener Konzerthaus. Dabei ich habe eine Menge Spaß mit dem neuen Material. Wir proben ständig… Wir spielen auch in Deutschland. Auf dem Jazzfestival in Straubing. Am 19. Juli… Hoffentlich sehen wir uns dort!“
Michael Arens: “Eine letzte, abschließende Frage. Du bist im besten Alter, obwohl Du seit fast 50 Jahren Musik machst. Was ist der größte Unterschied zwischen damals und heute?“
Sérgio Mendes: “Reisen war viel, viel einfacher damals. Heute hast Du lange Warteschlangen, die Flugzeuge haben ständig Verspätung. Das ist nicht mehr so einfach wie es mal war. Das ist die einzige Sache, die drastisch anders ist als damals. In den “guten alten Zeiten“ war Reisen sehr charmant. Heute fühlt man sich wie beim Viehtrieb.“
© Michael Arens |
||||
Sérgio Mendes |
|||||
|
|||||