MICHAEL ARENS' SOUL TRAIN - Your monthly Mag for Soul, Funk, RnB, Smooth Jazz & Urban Grooves |
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INTERVIEW |
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The Soul Snatchers - Dictators of the Groove! Aktuelles Album: The Soul Snatchers - Sniffin’ And Snatchin’ (Social Beats/Groove Attack) |
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The Soul Snatchers... Soul, Soul, Soul & Soul |
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The Soul Snatchers | ||||||
Und noch ein Beitrag zum Sixties Soul-Hype?! Nein, so einfach ist das nicht. Nicht bei The Soul Snatchers. Denn anders als den täglich mehr werdenden Künstlern, die sich der Strömung hingeben, auf den Zug aufspringen, um schnell noch ein paar Euros einzufahren, nimmt man Phil Martin (ein Künstlername, der sich aus den zwei Sixties-Produzentenlegenden Phil Spector und George Martin zusammensetzt – Phil möchte seinen echten Namen unerwähnt lassen – der SOUL TRAIN respektiert das selbstverständlich) und Ton van der Kolk, den beiden holländischen Masterminds, eben den Soul Snatchers, ihren analogen, handgespielten, angenehm unhygienischen, fast modrigen Soul in jeder Sekunde ab.
Das bewiesen die beiden bereits in zahlreichen Konzerten, die, einer Rauchschwade in einem Soul-Club in Soho 1969 nicht unähnlich, eine echte Rückbesinnung auf die Hochzeit des Hammondverliebten Soultreibens sind. Eine Unterhaltsame zwar, aber auch eine (fast) authentische. Und damit Ernst zu nehmende.
Die erste Single der Soul Snatchers erschien 2006. Es folgten diverse Kompilationen bei Labels wie Record Kicks, Freestyle oder Unique. Im September 2007 erschien dann die zweite Single. “I Can’t Stand It/People People“ präsentierte keinen Geringeren als Jimi Bell Martin als Gaststar, der in den Siebzigern mit Hits wie “So Fine“ oder “Moviestar“ punkten konnte.
Als AIFF (Afro Influenced Funk Federation) veröffentlichten Phil und Ton parallel zum Soul Snatchers-Projekt auf dem Düsseldorfer Unique-Label das Album “Afro Soul System“, wobei die Grenzen der zwei Projekte durchaus fließend sind. So ist Sänger Curtis T., langjähriger Frontmann der Ska-Kombo The Continentals, bei beiden Bands eine treibende, stimmliche Kraft.
Frontfrau YoYo setzt allerdings dem Projekt The Soul Snatchers die Krone auf. Nicht genug damit, dass sich das Soul Snatchers-Debütalbum “Sniffin’ And Snatchin’, im April diesen Jahres auf dem holländischen Social Beats-Label (Vertrieb: Groove Attack) erschienen, schon nach den ersten paar Tönen als eines der herausragendsten Sixties Soul-Revival-Alben identifiziert. YoYo klingt dabei nämlich wie eine Reinkarnation der großen und unvergessenen Dusty Springfield. Und auch YoYo hat einen Hintergrund. 2004 war sie die Leadsängerin bei Phil Martins drittem Projekt, der Afro- und NuSoul-Band Mystical Funk. Und dann ist da noch die jazzigere Seite von Phil Martin, die Jazz Invaders...
Das sind alles viele Informationen. Zu viele vielleicht, um den Überblick zu behalten und den Fokus auf das wesentliche Thema des Berichtes, The Soul Snatchers, nicht zu verlieren. Denn ihr Debütalbum verdient es, näher unter die Lupe genommen zu werden. Für die Musik, für den Soul, und für die Magie des Genres überhaupt.
Und so bat ich einen sehr redefreudigen Phil Martin, dem SOUL TRAIN die Musik und die musikalische Identifikation von The Soul Snatchers zu erklären.
Michael Arens: “Erst einmal Glückwunsch zum Album. Trotzdem es ja gerade Chic ist, Sixties Soul zu machen, höre ich Eurem Album an, dass es keinem Trend hinterher rennt, sondern ehrlich und mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Tatsachen steht. Wie kommt das? Es ist ja nicht gerade normal, heutzutage auf so ehrliche Art und Weise Soul zu machen...“
Phil Martin: “Na ja. Du magst eine bestimmte Art von Musik. Und Du hörst dir bestimmte Musik an. Ich und mein Freund Ton, mit dem ich die Songs schreibe, er ist auch der Bassist der Band, wir fingen an uns zu überlegen, ob wir es nicht auch hinbekommen, diese Art von Musik zu machen. Wir sind beides Musiker, aber auch DJs. Wir sammeln Musik, probieren Musik auf dem Danceflooor aus. Was funktioniert, und was nicht. Und natürlich, was für dich selbst funktioniert. Das ist ja auch das wichtigste dabei. Dann fängst du an, dieses Interesse für die Musik zu entwickeln; sie selbst zu spielen. Mit den Sounds zu spielen. Und du fängst an, Musik zu schreiben. Natürlich gibt es immer mehr bekannte Bands, die diese Art Musik machen. Es gibt eine sehr bekannte Deutsche Band. Die Poets Of Rhythm, auch, wenn sie sich heute eher anderen Stilrichtungen zuwenden…“
Michael Arens: “Und dann gibt es noch die “ganz Großen“, wie Amy Winehouse, Duffy (ihr Album “Rockferry“ ist Album des Monats Mai – hier geht’s zur Besprechung: xxx), Sharon Jones...!“
Phil Martin: “Ja, Amy Winehouse hat die Musik eigentlich durch das Daptone-Label in New York entdeckt. Wir stehen ebenfalls seit sechs, sieben Jahren mit Daptone Records in Verbindung. Wir haben Sharon Jones-Fans im Club, wenn wir auftreten. Wir waren schon vor fünf, sechs Jahren tief in dieser Musik verwurzelt. Wie auch immer, die Szene wächst und wächst. Davor gab es immer nur die alten Platten. Und einige wenige DJs wie Keb Darge, Henry Storch von Unique, die von dieser Art Musik wussten. Wir sind also alle irgendwie neu in diesem Genre. Es wurde zum Beispiel immer James Brown gehört, aber wenige von den alten Rare Grooves, den unbekannteren Interpreten. Man sieht das schön an den vielen Kompilationen, die mehr und mehr von den alten Sachen bringen.“
Michael Arens: “Es ist fast erschreckend wie authentisch ihr klingt!“
Phil Martin: “Ja, wir lieben einfach diesen Sound. Es gibt zwar immer schon alle Arten von Soul. Wie NuSoul zum Beispiel. Oder die ganze kommerzielle Musik. RnB. Wir mögen das überhaupt nicht. Wir mögen es roh und rau. Den Underground-Sound, wie er in diesen Tagen klang. Das ergibt eine Art Rohheit der Musik. Wir versuchen jetzt nicht unbedingt, Retro zu klingen, wir benutzen natürlich auch neue Technologien, um den Sound aufzunehmen. Aber wir suchen auch nach den richtigen Instrumenten. Neue Instrumente klingen nicht immer richtig. Man braucht älteres Equipment, um den Sound zu erreichen.“
Michael Arens: “Eure Sängerin YoYo klingt wie Dusty Springfield, ohne wenn und aber. Es ist fast schockierend, diese Ähnlichkeit.“
Phil Martin: “Ja, erstaunlich. Wir sind jetzt seit fast 20 Jahren befreundet. Wir haben beide in verschiedenen Bands gespielt, sie hat meistens Background-Vocals zusammen mit anderen Sängerinnen gesungen. Sie war eigentlich immer mehr in kommerzieller Musik verwurzelt. Sang viel auf Hochzeiten, und all das. Jede Art Musik, die man sich vorstellen kann. Ich wusste aber immer, dass ihre Stimme so viel mehr in sich birgt, als nur das. Als wir dann anfingen, an dem Projekt zu arbeiten, dachte ich an sie. Und ihre Stimme passte perfekt auf die Songs. Ich höre das immer wieder, dass sie sich wie Dusty Springfield anhört. Es wird sie sehr glücklich machen, das zu hören!“
Michael Arens: “Es gibt innerhalb der Soul Musik ja viele verschiedene Strömungen. Da gibt es den Chicago-Sound, den Detroit-Sound wie wir ihn von Motown kennen, den Philly-Sound aus Philadelphia, den Mod-Soul der Sechziger Jahre, den britischen Soul, usw.. Ihr klingt eindeutig wie der Southern Soul der Südstaaten der USA, Stax, Malaco...“
Phil Martin: “Die Sache ist, wenn man sich lange genug mit Soul befasst, Soul hört, kann man irgendwann heraushören, welcher Soul aus welcher Ecke der Welt kommt. Dieser Soul kommt aus dem Süden der USA, jener aus Nord-England, ein anderer ist mehr der Mod-Szene zuzuordnen. Wenn du also anfängst, Songs zu schreiben; alle diese Einflüsse fließen dann in die Arbeit mit ein. Wir haben versucht, all das ein wenig zu mischen. Obwohl wir viel von Stax genommen haben, sehr viel von dem Funk, wie wir ihn von James Brown kennen. Du hast aber Recht, am Ende hören wir uns am ehesten wie Soul aus dem Süden der USA an, New Orleans. Ton und ich, wir haben beide vorher Blues und New Orleans-Musik gespielt, daher vielleicht.“
Michael Arens: “Wie funktionieren die Soul Snatchers im Studio. Wie muss ich mir die Arbeit am Album vorstellen?“
Phil Martin: “Wir starten immer mit Improvisationen, einigen kleineren Akkorden, und gehen das Thema von da aus an. Bis schließlich einer der Sänger vorbei schaut, einige Wörter aufschreibt, Ideen. Und dann geht es los. Es geht also eigentlich mit einem waschechten Jam los. Manchmal wird daraus ein Demo. Manchmal kommen direkt richtige Songs dabei heraus. Die nehmen wir dann sofort auf. So funktioniert das. Oft fängt es auch zu Hause an, erst danach nehmen wir die Songs mit der Band auf.“
Michael Arens: “Soul wird oft nachgesagt, dass es eine langweilige und leicht zu machende Art Musik ist. Was natürlich überhaupt nicht stimmt. Im Gegenteil. Gerade weil die Musik so harmonisch und melodisch ist, fällt jeder noch so kleine Fehler doppelt und dreifach auf.“
Phil Martin: “Ja, die Musik von Leuten wie James Brown zum Beispiel, hört sich irgendwie leer an, ist aber so unglaublich voll von kleinen Dingen. Wenn eine Band einen Groove spielt, müssen alle sehr präzise am gleichen Strang ziehen. Hör’ dir House-Music an. Moderne House-Music. James Brown hat das eigentlich schon lange gemacht, bevor es überhaupt einen Namen hatte. Viele Musiker wollen nur ihren eigenen Strumpf runterspielen, denken aber nicht an den Sound als Ganzes, an die Band. Es ist wichtig, Musiker zu finden, die das können. Mit Jazz-Musikern ist das so, dass sie, sagen wir drei bestimmte Noten extrem gut spielen können, aber nicht unbedingt zur richtigen Zeit für eine Soul-Band, wenn du weißt, was ich meine.“
Michael Arens: “Heißt das, dass The Soul Snatchers eigentlich eher eine Art Musik-Pool ist, mit einem kleinen, festen Kern, und ständig wechselnden Gastmusikern?“
Phil Martin: “Ja, lediglich unsere Rhythm Section bleibt eigentlich immer die gleiche. Unsere Horn Section, die Dynamite Horns, spielt mit vielen anderen Bands Soul und Ska. Wir wollen aber in der Zukunft besonders bei den Sängern immer wieder neue und andere zum Projekt hinzunehmen.“
Michael Arens: “Du scheinst eine klare Vorstellung davon zu haben, was die Soul Snatchers als Musiker brauchen, wie was klingen soll und wer welche Rolle spielt. Wie sieht das aus? Wie funktioniert ihr?“
Phil Martin: “Ja, The Soul Snatchers hat als Projekt mit zwei Musikern angefangen. Mit Tom, dem Bassisten und mit mir. Wir sind die “Dictators Of The Groove“! Es gibt keine Demokratie in unserer Band. Das würde nicht funktionieren. Wir sagen an, was Sache ist. Wir versuchen noch immer, es besser und besser zu machen. Und auch wir wachsen und entwickeln uns ständig. Wir sind lange noch nicht fertig!“
Michael Arens: “Das begrüße ich natürlich. Habt ihr neben der Musik als solches vor, dem Soul ein Sprachrohr zu sein, den Soul, vielleicht sogar weltweit, voranzubringen? Da scheint ja viel Herzblut mitzuschwingen...“
Phil Martin: “Ja, natürlich. Wir hoffen das natürlich, dass der Soul in den Köpfen wächst, und es verändert sich bereits. Allerdings bin ich mir nicht sicher, wie lange das anhält. Heutzutage kommt und geht Musik so schnell. Amy Winehouse verkauft zwar gerade Platten wie verrückt. Aber wie lange noch? Die Menschen sind sehr schnell gelangweilt. Die Leute gebrauchen Musik oft mehr als Gimmick oder als Statement, denn als das, was es ist. Ich hoffe natürlich, dass es irgendwann weniger Rock-Musik und mehr Soul gibt. Alle richtigen Soul-Fans hoffen das seit Jahren...“
Michael Arens: “Ja... erzähl mir mehr davon...“
...Gelächter auf beiden Seiten...
Phil Martin: “Ja, viele meinen bei Soul immer nur die Temptations, oder das kleine bisschen, was sie von Motown oder Stax kennen...“
Michael Arens: “...oder Kool & The Gang, um es noch ein wenig schlimmer zu machen...“
Phil Martin: (lacht) “Ja...besonders die letzten paar Sachen, die sie raus gebracht haben.“
Michael Arens: “Also – was ist es, was The Soul Snatchers wollen?“
Phil Martin: “Wir versuchen nicht, Soul neu zu erfinden. Wir wollen nur, dass Soul weiter lebt. Wir wollen nicht Neues machen, keinen Trend setzen. Wir wollen lediglich weiterhin die Musik machen die wir mögen und lieben. Und unseren eigenen Weg darin zu finden. Die Geschichte der Soul-Musik weiter schreiben. Wir machen Soul, weil wir fühlen, dass wir genau diese Art Musik machen müssen!“
© Michael Arens
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The Soul Snatchers sind:
Phil Martin
Ton van der Kolk
YoYo
The Soul Snatchers
The Soul Snatchers - Sniffin’ And Snatchin’ (Social Beats/Groove Attack)
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The Soul Snatchers |
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