MICHAEL ARENS' SOUL TRAIN

 

 

 

 

 

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INTERVIEW

 

 

 

 

 

Stardelay - Von der perfekten Unperfektheit

Stardelay - A New High Fidelity Tripout (Ozella Lounge/Ozella Music)

Various - The Sound Vol.3 (Ozella Lounge/Ozella Music)

 

Stardelay - Von der perfekten Unperfektheit

 

Aktuelle Veröffentlichungen:

Stardelay - A New High Fidelity Tripout (Ozella Lounge/Ozella Music)

Various - The Sound Vol.3 (Ozella Lounge/Ozella Music)

 

 

Stardelay ist nur an der Oberfläche und dem Albumtitel nach ein weiteres Outing eines Musikers oder eines DJs in Sachen Chill Out und Lounge. Denn schon nach wenigen Minuten ersetzt ein warmes Soul-Gefühl meine Skepsis dem überstrapazierten Lounge-Thema gegenüber.

 

Die Sounds sind weich und irgendwie analog, die Effekte zurückgenommen, das Album-Gefühl stimmig, rund. Konzeptionell. Besonders angenehm krabbelt das knarzige Fender Rhodes-Spiel aus den Boxen und macht, Gil Scott-Heron lässt grüssen, “A New High Fidelity Tripout“ schnell zu einem meiner momentanen Album-Favoriten. Und so ist das überwiegende Klanggefühl des 14 Titel währenden Albums erst einmal glasklar Soul. Weitgehend  instrumentaler Soul, lediglich flüssig aufgebrochen durch insgesamt drei Titel mit Vocals, darunter Stardelays Coverversion von Portisheads “It Could Be Sweet“ mit einem Gesang, der besser zum eigenen Rhodes-Spiel gar nicht passen könnte.

 

Bei aller Zugehörigkeit zum Soul-Universum ist eine gleichzeitige Existenzberechtigung im weiten Lounge-Chill-Elektronik-Umfeld, High Fidelity Tripout eben, auch nicht von der Hand zu weisen. Ein Umstand, mit dem das Album noch einmal entscheidend punktet und der Stardelay somit wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit drängt.

 

Und genau an dieser Stelle sollten wir das erste Geheimnis hinter dem Pseudonym, Projektnamen, Stardelay lüften. Denn Stardelay ist mitnichten eine Band, auch kein Trio aus Pianist, Broken Beats-Spezi und Mastermind, und auch kein Duo, bestehend aus Beatbastler und DJ. Stardelay ist Carsten Mentzel. Einzeltäter. So einfach ist das.

 

Woher also der Name stammt, ist eine meiner ersten Fragen, nachdem schnell klar war, dass der SOUL TRAIN dem hervorragenden Album unter die Arme greifen muss. Soul Brothers in arms. Mentzel: “Ich hatte mit einem jungen Künstler aus Bayern, Benny von Benny & The Jets, was aufgenommen. Er ist mittlerweile richtig bekannt. Jedenfalls waren wir, bevor er richtig bekannt wurde, im Studio und haben eine Gesangspassage aufgenommen, in der er “I just want to be a star…“ sang, und dann kam irgendwie ein Break. Im Endeffekt gab es am Ende zwei Versionen: Bei der einen endete das “Star“ mit einem Hall-Effekt, bei der anderen mit einem Delay-Effekt. Und so habe ich die Versionen im Computer abgespeichert. Starhall und Stardelay. Als ich dann den Namen selbst gelesen habe, dachte ich “Verdammt… Schöner Name!“.“

 

Jetzt, wo das erst einmal geklärt ist, kommt unweigerlich die Frage nach dem Hintergrund. Benny & The Jets, schön und gut. Aber wer in den Credits zu einem 14 Titel währenden Album wie “A New High Fidelity Tripout“ als weitestgehend alleiniger Musiker, Komponist, Arrangeur und Produzent gelistet ist, hat sicher eine Geschichte zu erzählen. Auch hier überrascht Mentzel, pardon Stardelay: “Ich bin Autodidakt und komme eigentlich aus einer ganz anderen Ecke. Mein Vater war Liedermacher. Ich habe deswegen als Kind viele Sachen wie Hannes Wader gehört. Ich spiele sogar Gitarre wie Hannes Wader. Bin dann über die ganze Folk-Ecke gegangen, habe sehr viel Arlo Guthrie gehört, später dann Nina Simone, die mich unglaublich beeinflusst hat… Ich habe das als Kind einfach alles in mich aufgesogen. Letztendlich hat sich erst in den letzten zwei Jahren rauskristallisiert, was und wer ich denn jetzt musikalisch bin. Sachen wie Portishead oder Air sind da erst relativ spät dazu gekommen.“

 

Kommen wir zurück zum Album, einer der Favoriten der SOUL TRAIN-Redaktion. Carsten  Mentzel: “Ich habe mich am Anfang auch relativ schwer getan, das Ganze als Lounge laufen zu lassen. Nun muss man das aber irgendwie auch, weil es dann die richtigen Hörerschichten anspricht. Es hat, glaube ich, eine Menge Soul. Mehr von der Bedeutung des Wortes her. Das ist mir wichtig, wenn ich Musik mache. Das Album ist einfach das, was, was ich gemacht habe. Es ist ja insgesamt sehr entspannt geworden. Ich habe das letzte halbe Jahr daran gearbeitet. Mir ging es aber nicht darum, jetzt irgendein Chill Out-Album zu machen. Ich habe einfach mein Fender Rhodes angeschmissen, mich dran gesetzt und, völlig ohne was Geniales erschaffen zu wollen, einfach nur gespielt. Meine Finger benutzt, um was zu erschaffen. Und so ist das Album letztendlich entstanden.“

 

Klingt einfach. Doch für Menschen ohne musikalisches Gen oder das Talent oder doch zumindest die richtige Vision würde ein Projekt wie das von Stardelay sicher kaum funktionieren. War es also reiner Zufall, dass dieser knarzige, an Südstaaten-Instrumental-Soul, an Sixties Soul erinnernde, fast dreckige, staubige Sound sich so zusammengefügt hat, wie auf diesem Album? “Ich habe die ersten Aufnahmen noch mit einem Uralt-Computer und mit der billigsten Soundkarte, die man überhaupt bekommen konnte, gemacht.“ überrascht mich Herr Delay. Stardelay ergänzt: “Ich bin da gar nicht so High End. Ich nehme gerne auch was Dreckigeres mit rein. Letztendlich habe ich natürlich den Feinschliff sehr genau gemacht. Trotzdem analog und rauschig. Sogar ein paar alte Acht Spur-Aufnahmen sind dabei… Wenn man sich das Album ganz genau anhört, zeigt es drei Jahre meiner musikalischen Entwicklung. Ich bin einfach mit dem Album mit gewachsen und mit meiner Musik in Diskussion gegangen. Ich habe mich oft auch kritisch hinterfragt, auch immer wieder viel weggeschmissen…“

 

Dass das Album bei immerhin 14 Titeln nur drei Stücke mit Gesang beinhaltet, fällt interessanter Weise kaum auf. Die Fender Rhodes knarzt und wummert warm aus allen Ecken, als wollte sie uns einen Schwank aus der Jugendzeit erzählen. Auch zum wohl einzigartigsten Gesangsstück des Albums, der Coverversion des Portishead-Tracks “It Could Be Sweet“ hat Carsten Mentzel eine Geschichte auf Lager: “Es ist einfach passiert. Das Album war so gut wie fertig, es hatte aber nur zwei Gesangsstücke. Ich überlegte also, ob ich bei dem Titel noch Gesang mit rein nehmen sollte. Portishead war immer einer meiner favorisierten Bands. Einzigartig und genial. Ich saß also da an meinem Rhodes, bin eben auch ein Riesenfan von Beth Gibbons’ Stimme (Frontfrau von Portishead, Anmerkung der Redaktion), und habe angefangen, mit diesem Song, der gerade lief, zu arbeiten. Ich habe dann die ganze Nacht durchgearbeitet und das Ding schließlich um sieben Uhr morgens eingesungen. Und es hat mir so gefallen, dass ich es mit auf das Album genommen habe. Ich finde, es ist ganz schön geworden.“

 

Ganz schön? Bevor ich mich über die Natur von Untertreibungen auslasse, interessiere ich mich noch für die weiteren Aktivitäten Mentzels. Gerade erst ist beim gleichen Label wie das übrigens erste Stardelay-Album, also ein echtes Debüt (!), Ozella Music, der neue, dritte Teil der exzellenten “The Sound“-Reihe erschienen. “The Sound Vol. 3 - Downtempo Magic“ überzeugt auf ganzer Linie und beinhaltet 16 Stücke, die so viel mehr zu sein scheinen, wie schlicht Chill Out, Lounge oder, wie im Titel verbaut, Downtempo. Aber halt – kommt uns das nicht bekannt vor? Ein Blick ins Booklet spricht Bände. Doch lassen wir Carsten Mentzel selbst die kleine Anekdote (klein ist gut, immerhin wurde “The Sound Vol.3“ SOUL TRAIN-Redaktionsintern kurzzeitig als Anwärter auf das Album des Monats gehandelt) erzählen: “Ich mache sehr viel andere Musik, obwohl “A New High Fidelity Tripout“ das erste Album von mir ist, was man draußen auf der Strasse so sieht. Bei vielen anderen Produktionen war ich bisher im Hintergrund aktiv. Wenn Du dir zum Beispiel die Credits vom aktuellen Sampler “The Sound Vol. 3“ ansiehst, bemerkst Du, dass ich fast an jedem Stück irgendwie beteiligt war. Der Stardelay Remix von Mara & David (“Masquerade“, Anmerkung der Redaktion) stammt von mir, und dann ist ganz viel Stardelay selbst mit drauf (fünf Stücke, um genau zu sein, Anmerkung der Redaktion). Und auch bei den Sachen von Pete Alderton war ich mit dabei. Alles, was Du da so im Hintergrund hörst, bin meistens ich. Mir ist das auch erst klar geworden, als ich die CD selbst bekommen habe, dass ich im Hintergrund so viel damit beschäftigt war.“

 

Ein letztes Mal komme ich auf den Sound von Stardelay und seinem wunderbaren “A New High Fidelity Tripout“-Album zu sprechen. Denn der überzeugt mich restlos, gerade auch nach wiederholtem Abspielen. Mentzel: “Ich bin schon ein Perfektionist, auch, wenn man es vielleicht nicht so direkt raushört. Ich versuche aber auch, mir sozusagen die perfekte Unperfektheit, die unperfekte Perfektion, zu erspielen. Selbst, wenn ich vier Stunden nachts an den Rhodes sitze, spiele ich nicht so lange, bis jeder Ton perfekt sitzt, sondern bis ich merke, das es der Take ist, wo es Stimmt. Das kann auch ruhig kratzen oder rauschen. Ich habe bei “It Could Be Sweet“ zum Beispiel eine Radioeinstreuung gehabt. Wenn Du ganz genau hinhörst, kannst Du durch den Röhrenverstärker irgendeinen russischen Radiosender hören, der noch darunter mitläuft. Also solange, bis alles eine gewisse Schönheit besitzt. Schönheit anstelle von Perfektion!“

 

Ein schöneres Schlusswort hätte ich mir nicht ausdenken können. Bei aller Perfektion…

 

© Michael Arens

Stardelay

alias

Carsten Mentzel

Stardelay

alias

Carsten Mentzel

 

Stardelay...

 

 

 

Stardelay -

A New High Fidelity Tripout

(Ozella Lounge/Ozella Music)

 

Various -

The Sound Vol.3

(Ozella Lounge/Ozella Music)

 

Mehr über Stardelay alias Carsten Mentzel gibt es hier:

www.stardelay.de

www.myspace.com/stardelay

www.myspace.com/carstenmentzel

www.youtube.com/stardelay

www.ozellamusic.com

 

 

 

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