MICHAEL ARENS' SOUL TRAIN

 

 

 

 

 

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INTERVIEW

 

 

 

 

 

 

ABC/Martin Fry - The Traffic Jam

Aktuelles Album: ABC - Traffic (Borough Music/Blatant Records/Vibrant Records/Rough Trade)

 
 
 

ABC/Martin Fry - The Traffic Jam

 

 

 

 

ABC/Martin Fry - The Traffic Jam

Aktuelles Album: ABC - Traffic (Borough Music/Blatant Records/Vibrant Records/Rough Trade)

 

 

Als ich vor einigen Wochen die DVD des Live-Mitschnittes “Slaves To The Rhythm (Wienerworld/Live Nation/In-Akustik), dem Jubiläums-Konzert für Produzenten-Legende Trevor Horn, auf den Tisch bekam, war ich nicht auf einen solchen magischen, leidenschaftlichen und außerordentlich musikalischen Auftritt ABCs, die ihre Superhits “The Look Of Love“ und “Poison Arrow“ zum Besten gaben, vorbereitet. Dieses Orchester, diese Streicher, diese Stimme… Gänsehaut inklusive.

 

Dann, nur wenige Wochen später das: Ein neues ABC-Studioalbum! Doch zunächst mal zurück zum Anfang. Für alle, denen ABC bisher als unbeschriebenes Blatt erscheint, kommt hier kurz ein geschichtlicher Abriss.

 

Die Band gründete sich eigentlich schon Ende der Siebziger Jahre im New Wave-Schmelztiegel Sheffield zwischen Punk, Pop und Avantgarde als Vice Versa, benannte sich für ihr Debütalbum “The Lexicon Of Love“ dann Anfang der Achtziger Jahre, nach personeller Umstrukturierung, in ABC um. Das Album wurde nicht nur zu einem der erfolgreichsten Pop-Alben überhaupt sondern zur inoffiziellen Titelmelodie eines vermeintlichen Musikstils: Der Musik der Achtziger Jahre - mit dem weltweiten Superhit “The Look Of Love“ als Flagschiff.

 

Das Projekt hatte als Konstante durchweg Frontmann, Gründungsmitglied und Leadsänger Martin Fry. Wechselnde Mitglieder waren dabei eines der Charakteristika von ABC. So war ABC schon eine Band, ein Duo, ein Trio. Involvierte Mitglieder bzw. Musiker waren dabei unter anderem Mark White (der wohl einer der häufigsten Partner von ABC war), oder Stephen Singleton, Mark Lickley, David Robinson, David Yarritu, Fiona “Eden“ Russell-Powell und, last but not least David Palmer, der auf dem neuen Longplayer, “Traffic“ (Borough Music/Blatant Records/Vibrant Records/Rough Trade) endlich wieder eine Schlüsselrolle spielt.

 

Die Musik von ABC zeichnete seit ihren Anfängen aber nicht nur die Affinität zu orchestraler Musik und zu sauber eingespielter Pop-Musik aus. Es war auch immer diese Spur Soul-Gefühl, die besonders auf dem gerade hierzulande immens erfolgreichen “Alphabet City“-Album (1987 – ist das wirklich schon so lange her?!) mit den Hits “When Smokey Sings“ und “King Without A Crown“ in den Vordergrund gerückt wurde.

 

Dass es seit ihrem von der Presse verschmähten und wenig erfolgreichen letzten Album “Skyscraping“ über zehn Jahre dauern sollte, bis es neues Material von ABC, sprich: von Martin Fry, geben sollte, überrascht, verfälscht jedoch auch die Geschichte. Denn Fry ist besonders seit den Neunziger Jahren überaus aktiv auf den Bühnen dieser Welt, und das nicht nur mit ABC-Musik, sondern auch auf Konzerten, die immer wieder die Achtziger Jahre aufleben lassen (zum Beispiel mit Spandau Ballet-Frontmann Tony Hadley) oder wie eben bei dem Eingangs erwähnten Trevor Horn-Jubiläumsständchen.

 

Als Einstieg für alle, die mit der Musik von ABC bisher nur wenig Berührungspunkte hatten, eignet sich die 2001 bei Universal erschienene Kompilation “Look Of Love-The Very Best Of ABC“.

 

Womit wir wieder in der Gegenwart angekommen wären. Der neue Martin Fry/ABC-Longplayer “Traffic“ (Borough Music/Blatant Records/Vibrant Records/Rough Trade), das achte Studio-Album von ABC, bringt uns zurück zu den Anfängen, in denen ABC für überaus melodischen, harmonischen Pop stand, für Soul-Streicher, aber eben auch für Anklänge bei Rock und New Wave-Gefühl - gallig. Kurzum: Rohkost. Mit Gefühl für Stimme und Atmosphäre. Da sollte man sich vom Opener des Albums, “Sixteen Seconds To Choose“, einem waschechten Rock-Brett, nicht verunsichern lassen. Das ABC-Gefühl lebt auf, je weiter man sich in das Dutzend Kompositionen reinhört.

 

Bevor wieder eine Dekade verstreicht, bis ein neues ABC-Studioalbum den Weg auf den sich seit vielen Jahren ständig im Umbruch befindlichen deutschen Musikmarkt macht, nutzte der SOUL TRAIN die Gelegenheit, Martin Fry die wichtigen Fragen zur ABC-Reunion, zum neuen Album und zur Affinität ABCs zur Soul-Musik zu stellen…

 

 

Michael Arens: “Beim neuen Album macht wieder David Palmer mit, der zu den ABC-Mitgliedern der ersten Stunde gehörte. Wie kam es zu dieser kleinen “ABC-Reunion”?”

 

Martin Fry: “Ich hatte mir irgendwie abgewöhnt, Songs zu schreiben. Mit ABC hatte ich damals weit über 100 Songs geschrieben. Ich habe mich stattdessen aufs Touren verlegt. Man muss leidenschaftlich und inspiriert sein, um ein gutes Album zumachen. MTV und VH-1 hatten eine Doku-Reihe gemacht, die “Bands Reunited“ hieß. Sie brachten mich wieder mit Dave (David Palmer, Anm. d. Red.) zusammen. Diesen Kontakt mit David Palmer hielt ich aufrecht. Dave war ja als Drummer von ABC bei den “Lexicon Of Love“- und “Beauty Stab“-Sachen dabei. Er lebt in Los Angeles, und ist der Drummer von Rod Stewart. Wir trafen uns in seinem Garagenstudio in L.A. und begannen, Songs zu schreiben. Chuck Kentis kam dazu, der uns beim Schreiben half. Es war wieder wie eine echte Band. Es fühlte sich wie damals an, als wir anfingen. Es gab keinen Druck von irgendwo, es machte einfach Spaß, wieder Songs zu schreiben.”

 

Michael Arens: “Das neue Album fühlt und hört sich wohl deswegen wieder mehr nach dem alten ABC-Material wie “Lexicon Of Love“ oder “Beauty Stab“ an, vielleicht sogar noch mehr nach Vice Versa, der Formation, die vor ABC mit dir als Lenker existierte…“

 

Martin Fry: “Ja, Songs wie “Way Back When“ oder “Sixteen Seconds To Choose“ oder “Ride”… oder aber wie “The Very First Time”, bei dem wir uns irgendwie wie die Philadelphia Allstars anhören, was zufällig gerade im Radio lief. Dieser Song ist vom Philly-Soul beeinflusst. Darum geht es doch in der Musik… Und obwohl “Traffic“ auch ein Rock-Album ist, ist es zugleich KEIN Rock’N’Roll-Album. Ich liebe eben Soul. Ich war gerade erst in Detroit und habe Smokey Robinson interviewt, einer meiner großen Helden, wie Du ja von “When Smokey Sings“ weißt. Wir sind seit “Alphabet City“ damals in Kontakt geblieben.“

 

Michael Arens: “So individuell und wunderbar der ABC-Sound ist, so gut die Texte sind, so sehr lebt die Musik von “Traffic“, und letztlich die gesamte ABC-Musik von deiner Stimme.“

 

Martin Fry: “Ja, es fühlte sich echt gut an, nach zehn Jahren endlich wieder zu singen. Der Sound von “Traffic“ ist ein rauerer Sound als gewöhnlich. Trotzdem fühle ich mich da, wo ich zur Zeit bin, sehr wohl. Entspannt. Ich realisiere, dass es großartig ist, heute, 2008, auf der Bühne stehen zu können und “The Look Of Love“ oder “Poison Arrow“ singen zu können. Ich realisiere, dass mein Publikum die Geschichten hinter der Musik  mögen. Wenn ich Leute wie David Bowie oder Neil Young ansehe, sind das Leute, die überlebt haben – überlebt durch schwere, manchmal seltsame Zeiten. Und auf seltsame Art ist es das gleiche Gefühl mit mir und meinem Publikum. Das ist eine Art Leben. Eine Lebensgeschichte…“

 

Michael Arens: “Dann sind da die Texte, die so spitz und pointiert schon lange nicht mehr waren. Mir fällt spontan die Textzeile “You like Starsky, I Like Hutch…“ am Ende von “Ride“ ein.“

 

Martin Fry: “(lacht) Ja. Ich mag es eigentlich gar nicht so sehr, die Songs zu analysieren. Aber du hast Recht – es gibt eine Menge Trotz in den Texten von “Traffic“. Es geht darum, feurig und zugleich positiv zu sein. Ich habe in den letzten zehn Jahren eine Menge Energie durch meine ganzen Live-Gigs bekommen. Ja, “Traffic“ ist, so kann man es sagen, ein sehr selbstbewusstes Album!“

 

Michael Arens: “Tatsächlich…“

 

Martin Fry: “Die meisten Platten, die ich gemacht habe, sind aus einer Frustration heraus entstanden. Ich werde gelangweilt und kann nicht mehr wirklich hören, was ich will. Ich habe mir gerade das Mercury Rev-Album gekauft, und das Kaiser Chiefs-Album. Fantastisches Material. Wenn ich aber nichts finde, was ich mag, denke ich daran, selbst meine Musik zu machen, die ich dann mag. Die Frustration, der ich heute erliege, ist die eines 50-jährigen, alten Mannes, der die Musik anders fühlt als mit 22! (lacht)“

 

Michael Arens: “Eigentlich bist Du ja die einzige Konstante im Projekt ABC. Wäre es nicht sinnvoller gewesen, das Album unter deinem eigenen Namen, Martin Fry, statt unter ABC laufen zu lassen? Denn faktisch ist es ja so, dass ABC zunächst mal Du selbst bist…“

 

Martin Fry: “Es war von vorneherein klar, dass dieses ein ABC-Album sein wird. ABC ist eine Art Band mit ständig wechselnder Besetzung. Nein, die Sache die mich dieses mal sehr beeindruckt hat, war tatsächlich David Palmer, der die gleiche Generation wie ich ist. Er ist genau so alt wie ich… Jedenfalls haben wir zusammen eine Menge durchgemacht. Und er ist genau wie ich noch immer sehr an Musik interessiert. Das hat sich einfach Richtig angefühlt.“

 

Michael Arens: “Das war ja auch immer einer der Anziehungspunkte im ABC-Universum. Die Musik berührt eine Menge verschiedene Genres und wird zugleich in all diesen Genres respektiert. Pop, Soul, elektronische Musik, bis zu Rock oder New Wave.“

 

Martin Fry: “Ja, ich schätze, da hast Du Recht. Ganz so wie heute die Musik von Ne-Yo. Oder die Musik, die Rick Rubin produziert, die gleich in ganz vielen Genres zu Hause ist. Von Johnny Cash zu Metallica zu Jay-Z. Als er damals das ganze Run DMC-Zeug produziert hat, hätte man ihn wohl als Hip Hop-Produzenten eingruppiert. Das ist es, was Musik ist. Wenn man älter wird, entwickelt man sich auch. Dazu kommt, dass Musik an sich sich sehr verändert hat. Musik ist ungreifbarer geworden. Leute, die bisher beispielsweise immer Reggae gemacht haben, machen plötzlich RnB, usw.. Ich mag zur Zeit zum Beispiel Sixties Musik. Diese Musik war designed für das Radio, und klingt dementsprechend gut im Radio. Vinyl-Singles-Sound…“

 

Michael Arens: “Ein weiterer wichtiger Eckpfeiler der ABC-Identität ist das irgendwie stylische Äußere, wie etwa die Fotos von Andy Earl für das “Skyscraping“-Album. Dieses Konzept findest sich natürlich auch auf dem aktuellen Album wider, spielt, bei gleichzeitiger Sparsamkeit, eine große Rolle.“

 

Martin Fry: “Oh ja. Das ist witzig. Das ganze Coverdesign von “Traffic“ ist eine Rekonstruktion des Designs von Cohiba-Zigarren. Das Schwarz-Weiss-Gelbe Design… Das mit dem Design gehört einfach zum Gesamtpaket ABC dazu. Wenn ich auftrete, trage ich diesen goldenen Anzug. So bin ich einfach. Man ist, was man ist.“

 

Michael Arens: “Was kommt als Nächstes?“

 

Martin Fry: “Ich arbeite bereits an einer neuen Platte. Sie soll sehr orchestral werden. Ich habe gerade einige Shows mit diesem Konzept hinter mir. Ich war unter anderem in den USA unterwegs, aber auch in Kanada, wo wir viele ABC-Songs gespielt haben, die wir bisher vernachlässigt haben, wie “Vanity Kills“, dass wir mit einem großen Live-Orchester einspielten. Dann gehe ich mit Human League auf Tour!“

 

Michael Arens: “Bevor ich Dich wieder deiner Musik überlasse - was ist der Motor, der dich nach so langer Zeit im Musikbusiness antreibt?“

 

Martin Fry: “Es ist schwierig zu beschreiben, was es für ein Gefühl ist, nach so vielen Jahren noch immer Musik zu schreiben und zu machen. Ich hatte einige sehr große Erfolge und habe eine Menge Geld mit meiner Musik gemacht. Und werde überwiegend mit der Musik der Achtziger Jahre identifiziert. Irgendwie ist es, als würde man ständig irgendetwas hinterher jagen. Wäre das nicht so, müsste man sich schließlich fragen, warum jemand wie Paul McCartney noch immer Songs schreibt… Da gibt es etwas, was dich vorantreibt…“

 

© Michael Arens

 

 

Martin Fry

Martin Fry

 

 

 

 

Aktuelles Album:

ABC - Traffic

(Borough Music/

Blatant Records/

Vibrant Records/

Rough Trade)

 

 

 

 

 

 

 

Ebenfalls erhältlich:

ABC -

Look Of Love-

The Very Best Of ABC

(Mercury Records/

Universal Music)

 

 

 

 

 

 

 

   
   

 

ABC-Album-Discografie

(von links nach rechts)

 

“Lexicon Of Love” (1982)

“Beauty Stab” (1983)

“How To Be A Zillionaire!” (1985)

“Alphabet City” (1987)

“Up” (1989)

“Abracadabra” (1991)

“Skyscraping” (1997)

“Traffic” (2008)

 

© Michael Arens

 

   
   

   
   

 

 

 

 

 

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