Als ich an einem Freitag Abend im Dezember letzten Jahres
einen Anruf von einem guten Freund bekommen, der mich bittet, den Song, der
gerade im Radio läuft, zu identifizieren, bin ich zunächst überzeugt davon,
dass es sich um ein authentisches Stück Jazzfunk aus den ganz frühen
achtziger Jahren handelt.
Nach einiger Recherche im Internet stehe ich vor einem
kleinen Rätsel: Der Song ist “Ain’t No Friend Of Mine“, der Interpret,
Künstler, ein Drummer namens Nick Van Gelder.
Als ich den Namen, der so europäisch nach Housegetriebenen
Clubsounds klingt, ebenfalls google, lerne ich, dass Nick van Gelder,
ein Weißer (!), kein Geringerer ist als der Ex-Drummer von Jamiroquai.
Doch damit ist die Geschichte noch lange nicht am Ende.
Bereits in den Achtziger Jahren war Nick Drummer einer in
Insiderkreisen hochgradig geliebten Jazzformation namens Ozric Tentacles.
Ihre Alben sind noch heute in den einschlägigen Downloadportals des
Internets zu finden.
In der Folge war Nick van Gelder für und mit
Künstlern und Bands wie Lucinda Siegers, The Sandals,
Corduroy oder Mother Earth aktiv… Anfang der Neunziger wurde aus
dem Vorzeigedrummer der Acid Jazz-Bewegung schließlich der Drummer von
Jamiroquai.
1994, nachdem Nick auf einer Welttournee das immens
erfolgreiche Jamiroquai-Debütalbum “Emergency On Planet Earth“
bewarb, verließ er, kurz nach der Fertigstellung des zweiten Albums, die
Band, um sich eigenen Aufgaben zu widmen. Mehr als einmal wurde Nick in
dieser Zeit von Fachmagazinen zu einem der besten Drummer der Welt gewählt -
eine Reputation war geboren.
Noch im gleichen Jahr schloss sich van Gelder mit Simon
Bartholomew von den Brand New Heavies (der SOUL TRAIN
berichtete) zusammen, um die Acid Jazz-Superband Akimbo zu gründen.
Auf einem Gig von Akimbo lernte Nick van Gelder
DJ-Superstar Keb Darge kennen, mit dem er 1999 Deep Funk Records
gründete. Einer der Acts des Labels war Akwaaba People, dessen
Leadsänger Mazen, einer der talentierteren Stimmen der Welt des
britischen Grooves zwischen Soul und Funk war.
Zusammen mit Mazen kam es schließlich zum
vorliegenden Album “Choose Music“, dass bereits damals, also vor einer
Dekade, seinen produktionstechnischen Anfang fand. Das Werk, Ende letzten
Jahres auf dem innovativen BBE Records-Label erschienen, ist ein Füllhorn an
authentischem Jazzfunk und Soul, angefüllt mit Rhythmen und dem Groove, der
einen nicht mehr loslässt. In immer wieder kehrenden Strecken instrumental,
fokussiert sich das Werk auf die eigentliche Arbeit eines Schlagzeugers vom
Format eines Nick van Gelder: auf den Rhythmus.
Harmonien und Melodien sind dabei ebenso präsent wie deepe
Soul-Stimmen und unwiderstehliche Sound-Effekte, die insbesondere als
Einheit absolut überragen. “Choose Music“ ist bestimmt eines der besseren
Soul/Funk-Alben der letzten Monate, sicher aber ein unverblümte Hommage an
die “gute alte Zeit“ des British Jazzfunk und des Early Eighties Discosoul
(der SOUL TRAIN berichtete).
Nick van Gelder
nahm sich die Zeit, dem SOUL TRAIN die Geschichte von “Choose
Music“ näher zu bringen…
Michael Arens:
““Choose Music“ ist authentisch bis ins Mark, klingt warm und direkt. Wie
kam es zu dem Projekt?“
Nick van Gelder:
“Na ja, es hat ein paar Jahre gedauert, die Idee zu entwickeln. Ich habe
mein eigenes Studio in meinem Haus seit 1995. Es hat sich seitdem, ohne
einen konkreten Weg zu beschreiten, einfach entwickelt…“
Michael Arens:
“Wie entstand die eigentliche Musik?“
Nick van Gelder:
“Abgesehen von Mazen, dem Leadsänger und der Bläser-Sektion, habe
ich alle Musik auf “Choose Music“ selbst gemacht. Das Ganze wurde durch
Clubs und Sounds inspiriert, Masters At Work und die ganzen
House-Sachen, die raus kamen. Rare Groove und die anderen klassischen
Einflüsse, Roy Ayers usw.. Die Wurzeln sind Jazzfunk…“
Michael Arens:
“Wie bist Du also an die Sache herangegangen?“
Nick van Gelder:
“Natürlich gab es kein
Konzept oder so. Als die Tracks fertig waren, ging es lediglich um die
Reihenfolge, was am besten funktioniert. Das ganze Album wurde auf analogen
Geräten aufgenommen, Fender Rhodes, auf einem echten Moog, nur ein paar
Fetzen Piano usw. waren digital. Retro… sogar mein Drumkit ist aus den
Sechziger Jahren. Ich mag diese alten Retro-Instrumente. It’s all real!“
Michael Arens:
“Du hast also recht lange an dem Album gearbeitet?!“
Nick van Gelder:
“Einige der Songs, wie die
erste Version von “Ain’t No Friend Of Mine“, ist bereits zehn Jahre alt. Es
entwickelte sich immer weiter. Es war ein langer Prozess. Andere Songs zum
Beispiel kamen sehr schnell zustande, wie “Just Give It Up“. Eine Menge
Arbeit…“
Michael Arens:
“Nochmal zu Mazen, der ja nicht nur stimmlich dabei ist, sondern auch
im Booklet auf dem einzigen Foto der CD zu sehen ist. Erzähl mir mehr von
ihm!“
Nick van Gelder:
“Ich spielte Drums in
seiner Band, Akwaaba People, eine Jazzformation aus Nord-London. Sie
wurden Kult hier in England. Leider löste sich die Band dann auf und
Mazen und ich bleiben Freunde. Ich liebe seine Stimme. Seine Stimme ist
der X-Faktor! Seine eigene Musik fokussiert sich mehr auf Texte und
Melodien, aber ich wollte meine Musik mehr Rhythmusorientiert haben, statt
sich auf einen Leadsänger zu konzentrieren.“
Michael Arens:
“War es also von Anfang an klar, dass ihr trotz aller Zusammenarbeit das
Album unter deinem Namen, und nicht unter z.B. einem Bandnamen herausbringen
würdet?“
Nick van Gelder:
“Mazen und ich
haben einige Zeit zuvor bereits eine Maxi herausgebracht, als Chosen 2.
Aber hier war es von Anfang an klar, dass es “mein“ Ding war. Eine Menge
Leute sagten auch, dass mein Name, Nick van Gelder, irgendwie ein
guter Name für diese Art Musik ist.“
Michael Arens:
“Wo wir gerade bei früheren Projekten sind. Erzähl mir mehr von deiner
ersten Band, den Ozric Tantacles!“
Nick van Gelder:
“Ja, das lief von den
mittleren bis zu den späten Achtzigern. Wir haben einige Alben eingespielt,
die aber nur auf Kassette (!) erschienen sind. Die Musik war ziemlich
experimentell. Völlig frei von irgendwelchen kommerziellen Anforderungen…
Eine wichtige Lernphase. Du kannst die Sachen alle im Internet bekommen, auf
iTunes und so weiter. Ich muss dich aber warten. Es ist teilweise sehr irre
und durchgeknallt.“
Michael Arens:
“Und dann war da natürlich noch deine Zeit als Drummer von Jamiroquai.
Bist Du genervt, darauf angesprochen zu werden? Oder bist Du stolz auf diese
Zeit?“
Nick van Gelder:
“Beides. Ich bin sehr
stolz auf meine Zeit mit Jamiroquai. Aber natürlich werde ich auch
immer wieder danach gefragt, warum ich gegangen bin und so… Aber alles in
allem bin ich sehr stolz darauf!“
Michael Arens:
“Mittlerweile hat sich ja besonders ""Ain't No Friend Of Mine" mit einem
unwiderstehlichen Trompetensolo von Dom Glover, zu einer Art Hymne
für Freunde des Genres entwickelt. Ich war anfänglich etwas erstaunt, nur
über Umwege (siehe Einleitung, Anm. d. Red.) überhaupt von dir und deinem
unglaublich guten Album zu erfahren… eine Art Geheimtip?“
Nick van Gelder:
“Nein, nein, das ist schon
eine offizielle Veröffentlichung, aber Du wirst das Album kaum in regulären
Shops beziehen können. Du musst es im Internet bestellen oder downloaden auf
iTunes, Amazon oder BBE.“
©
Michael Arens |