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Michael Bublé - Meets Madison Square Garden (Reprise Records/Warner)
Ob es Schicksal, Zufall
oder ein raffinierter Schachzug ist, dass Michael Bublé ausgerechnet
auf dem Label unter Vertrag ist, dass Frank Sinatra, Vater aller
Crooner, 1960 gründete? Man weiß es nicht. Jedenfalls sorgt Bublé mit jedem
Album mehr dafür, sich auch mal vom teils ausgetretenen Crooner-Genre weg zu
bewegen. Nicht umsonst liebäugelt er mit jedem Album aufs Neue mit Pop,
Latin und vielen anderen Strömungen zeitgenössischer Musik. Doch für seine
Konzerte kehrt Michael Bublé gerne wieder in seine Rolle als Sinatra
der Gegenwart zurück. Auch wenn, wie hier, die Songauswahl aus vielen
verschiedenen Genres kommt wie etwa Soul (“Me and Mrs. Jones“) oder Rock (“Crazy
Little Thing Called Love“), sind es doch Stücke wie der Frank Sinatra-Klassiker
“I’ve Got The World On A String“, die den Ton angeben. Und dann sind da ja
noch die hausgemachten Bublé-Hits wie “Home“, die es dann in der Gesamtheit
schaffen, den sehr eigenen Anspruch, eigenen Charakter, den Michael Bublé
in den vergangenen Jahren seiner Karriere entwickelte, zu unterstreichen.
Denn so sehr er zu seinen Anfängen auch eine Karikatur der großen Crooner á
la Sinatra, Martin oder Bennett war, so sehr ist er heute schlicht
Michael Bublé, an dem sich mittlerweile wiederum die nächste Generation
misst. Die CD bietet einen sehr repräsentativen, sehr emotionalen aber auch
aufgeräumten Konzertabend im legendären Madison Square Garden, die DVD
liefert mit Interviews eine Art Dokumentation über das Ereignis. Das
Doppelpack ist ein unbedingtes Muss für Fans von Michael Bublé und
ganz bestimmt ein lohnenswerter Zwischenstopp für alle, die auch nach so
vielen Jahren immer noch ihre Zweifel an der künstlerischen
Daseinsberechtigung des Kanadiers Bublés haben. Eine sehr runde Sache, das.
Bob Marley - Stations Of The Cross (Pride/In-Akustik)
Es gibt vermutlich viel
zu viel Material von Bob Marley. Kaum ein anderer Künstler wurde nach
seinem Tod so massiv vermarktet wie Marley. Dabei sind nur die wenigsten
Veröffentlichungen von Marleys Familie, die sich, soviel Fairness muss sein,
genauso um jene Vermarktung verdient macht, abgesegnet. Schöne Welt des
Konsums. Die vorliegende DVD (mit einer CD als Doppelpack beim
Jazzspezialisten In-Akustik erschienen) ist so ein Produkt, das diese
Diskussion sicher einmal mehr anfacht. Die Bemerkung, dass dieser Film, der
etwa eine Stunde lang die Geschichte Marleys vorstellt, nicht analysiert,
sondern unterhalten will, ist eigentlich Makulatur. Denn es ist die CD, die
hier die Faszination liefert. Auf mehreren Interviews hören wir Bob
Marley, der sich über die Dinge des Lebens und der Musik äußert. Ganz
sicher ein großes Muss für Fans. Und so bleibt “Stations Of The Cross“ mit
dem Kopf über Wasser, ohne über alle Massen zu begeistern. Gutes Mittelmass.
Cedar Walton Quartet -
Live From The Umbria Jazz Festival 1976 (Rai Trade/Arthaus Musik/Naxos)
Eine weitere Folge der besonders für echte Jazz-Liebhaber sehr
empfehlenswerten “Umbria Jazz Festival”-Reihe auf Arthaus Musik meint es
dieses mal besonders gut mit uns. Kein Geringerer als Cedar Walton
trat 1976 mit seinem Quartett, neben ihm selbst am Piano, mit George
Coleman am Saxofon, Sam Jones am Bass und Billy Higgins am
Schlagzeug fast Elitär besetzt, an, das legendäre Festival bei Orvieto im
Sturm zu erobern. Wie Mitreißend das ist, lässt sich vom ersten Takt an
völlig problemlos ausloten. Die fünf aufgeführten Stücke, “Bolivia“, “Naima“,
“Seven Minds“, “Firm Roots“ und, last but not least, Thelonius Monks
Klassiker “Blue Monk“ erscheinen mit ihren gerade mal 62 Minuten Länge
vielleicht etwas zu kurz. Die Spielfreude und der gleichzeitige Tiefgang des
Großmeisters des Mainstream-Piano-Jazz hinterlassen jedoch klare,
nachweisliche Spuren und beeindrucken auch über 30 Jahre später noch immens.
Auch hier gilt einmal mehr: etwas mehr Extras hätten es trotzdem sein
dürfen.
Youssou N’Dour - Rückkehr nach Gorée (Mouna/Alive)
“Rückkehr nach Gorée” ist
eine Dokumentation, in der sich Weltmusik-Superstar Youssou N’Dour
aufmacht, die Spuren der schwarzen Musik, des Jazz, und damit auch die
Spuren der schwarzen Sklaven, die Musikkultur überhaupt, wieder zu
entdecken. Natürlich führt ihn diese sehr musikalische Reise nach Afrika.
Die fast zwei Stunden lange Dokumentation fasziniert mit schönen Bilder,
nüchternen Erkenntnissen über Geschichte und Musik und deren unausweichliche
Verbindungen sowie immer wieder der unwiderruflichen Aura von N’Dour, der,
zurückhaltend aber mit mitunter geheimnisvollen Nachdruck, dem Phänomen Jazz
und dessen afrikanischen Wurzeln auf den Grund geht. Natürlich kommt der
Jazz selbst dabei immer wieder zu Wort. Die Musik der Doku wird getrieben
durch Musik von, neben Youssou N’Dour selbst, Wolfgang Muthspiel
oder Idris Muhammad, der als Grenzgänger zwischen Jazz und vielen
populären Stilen wie Soul und Pop gerade hier eine symbolische Wirkung haben
könnte. “Rückkehr nach Gourée“ von Regisseur Pierre-Yves Borgeaud ist
ein faszinierendes Stück Musikgeschichte mit einem noch faszinierenderen
Youssou N’Dour, der ohne Spannungsverlust und ohne an Sogwirkung zu
verlieren auch das örtliche Telefonbuch rezitieren könnte. Besonders für
Jazz-Fans, aber auch alle Freunde, die Musik als Ganzes hinterfragen, ein
unbedingtes Muss!
The Super Guitar Trio -
Al Di Meola, Larry Coryell, Bireli Lagrene (Arthaus Musik/Naxos)
Und noch eine Live-DVD der Arthaus-Sparte in der heutigen DVD-Ecke des
SOUL TRAIN - dieses mal mit einem raren Live-Mitschnitt einer nicht
gerade gewöhnlichen Zusammenkunft dreier Gitarren-Virtuosen, wie sie
eigentlich unterschiedlicher nicht sein könnten: Al Di Meola,
Larry Coryell und Bireli Lagrene. Neben Eigenkompositionen zeigen
die Herren hier unter anderem, dass sie auch und besonders Material von
Kollegen wie Chic Corea (“Spain“) oder Astor Piazzolla (“Tango
Suite“) bestens beherrschen. Das wirklich wundervolle ist jedoch das auf
fast magische Art überaus gelungene, flüssige, stimmige Zusammenspiel der
Drei, die auf dem Konzert, dass immerhin fast zwei Dekaden auf dem Buckel
hat, von Chris Carrington (Guitarre) und den zwei Perkussionisten
Arto Tuncboyaci und Gumbi Ortiz begleitet werden. Die Stücke sind
äußerst sensibel eingespielt, zeugen dabei von großer Virtuosität, ohne
allzu abgehoben oder disharmonisch zu wirken. Das Konzert wurde 1990 in
Cambridge, Massachusetts, mitgeschnitten. Nicht nur für Fans trotz sparsamer
Extras lohnenswert – versprochen.
Orquestra Sinfonica e Coro do Estado de Sao Paulo
- Sao Paulo Samba (EuroArts Music International/Naxos)
John Neschling
dirigiert das Orquestra Sinfonica e Coro do Estado de Sao Paulo seit
einem Dutzend Jahren und machte aus dem Projekt eine Art Vorzeige-Orchester
in Sachen klassischer Umsetzung Lateinamerikanischer Musik. Alleine das ist
eine Besonderheit. Auf der neuesten DVD reißt das Orchester einen vom ersten
Ton an in seinen Bann. Lateinamerikanische Klassiker von Astor Piazzolla,
Joao Bosco, Alberto Ginastera oder Heitor Villa-Lobos
(der SOUL TRAIN berichtet) sind dieses mal, einmal mehr, der
Fokus von Neschlings Orquestra Sinfonica do Estado de Sao Paulo, dass
in diesem Kontext vermutlich seinesgleichen sucht. Das fast zweistündige
Konzert punktet mit einer wunderbaren, fast reinen Schönheit, wie sie so
immer seltener, und oft halt auch nur mit Lateinamerikanischer Musik,
brasilianischer Musik, entstehen kann. Magisch, dieser
Silvester-Konzertmitschnitt letzten Jahres. Als Bonus gibt es ein Interview
mit John Neschling. Dringende Kaufempfehlung.
Don Grusin - The Hang (C.A.R.E. Music Group/edel
Kultur)
Don Grusin
ist der jüngere, deutlich unbekanntere Bruder von Dave Grusin.
Dave Grusin dürfte einem sehr breiten Publikum insbesondere durch seine
Arbeit als Filmkomponist mit warmem, stets jazzigem Unterton sein. “Die Drei
Tage des Condor“, “Die Firma“ oder “Die Fabelhaften Baker Boys“ sind nur
drei seiner unzähligen Werke. Dazu ist er der Gründer eines besonders in den
Siebziger und Achtziger Jahren immens erfolgreichen Plattenlabels, GRP (Grusin
and Rosen Productions - Dave Grusin und Larry Rosen). Dem
Umstand, dass nun Don Grusin ebenfalls bereits seit über 30 Jahren
als Jazzmusiker für andere als auch Solo unterwegs ist, und dabei immer
wieder auch seinen Bruder unterstützt hat (Don Grusin ist
Keyboarder), verdanken wir dieses Album, dass ein extrem attraktives Produkt
ist, dass in Haptik, Optik, Informationsgehalt und musikalischer Brillanz
kaum zu übertreffen ist. Die CD beinhaltet die Songs der All Star Jazz-Band,
Jazz der gemäßigten Art, die Don Grusin hier zusammengebracht hat.
Bei den 14 Titeln sind unter anderem sein Bruder Dave, sowie Nathan East,
Patti Austin, Harvey Mason, Phil Perry, Sadao
Watanabe, Ernie Watts, Lee Ritenour oder Pete Ecovedo,
um nur einige wenige zu nennen, dabei. Die CD bietet einen Mitschnitt des
Konzertes der All Star-Band aus 2003 in Los Angeles. Ein Ohrenschmaus. Die
DVD liefert zum Konzert die passende Optik. Ebenfalls ein beeindruckendes
Zeitzeugnis von zeitgenössischem, hochgradig anspruchsvollem Jazz mit
melodischem, handfestem und musikalisch nachvollziehbarem Ansatz. Verkopften
Freejazz oder ausufernde Interpretationsorgien wird man hier bei aller
Spielfreude vergeblich suchen. Das wunderbar gestaltete Booklet glänzt mit
jeder Menge Fotos der beteiligten Stars des Jazz, deren Kurzbiografien sowie
Texten und Infos zu jedem Song. Wenn man an Jazz, melodischem, harmonischen
und zurückhaltenden Jazz, interessiert ist und dieses Jahr nur eine DVD
kaufen will, sollte es die hier sein. Ohne wenn und aber das Highlight der
diesmaligen DVD-Ecke des SOUL TRAIN!
Sara K. - Made In The Shade (Stockfisch
Records/In-Akustik) (Blue-ray Disc)
Blues und Singer/Songwriter steht auf Sara K.s Menüliste, obwohl das
vordergründige Songgefühl eindeutig dem guten alten Folk zuzuschreiben ist.
Die Gitarristin, deren Musik, besonders die auf ihrem neuen Album, “Made In
The Shade“, insbesondere von ihrem zurückhaltenden, weichen, dabei sensiblen
Organ, eben typisch für Folk, gekennzeichnet ist, bereichert ihr neues Album
mit dem wunderbaren und wunderbar passenden Harfenspiel von Johanna
Single, dass den Songs eine ganz eigene Note gibt, ohne aus dem
Folk-Rahmen auszubrechen. Die vorliegende Blue-ray Disc wartet mit alle dem
auf, was das atemlos schnell wachsende Medium so besonders macht. Die aus
Santa Fe, New Mexico, USA, stammende Sara K. veröffentlichte ihr
Debüt nunmehr vor 20 Jahren. Diese Erfahrung und Reife lässt sich einmal
mehr am neuen Longplayer nachhören und nachvollziehen. Die Blue-ray Disc
trumpft darüber hinaus mit einem umfangreichen Booklet (interessant – trotz
aller überragenden Technologie erfreue ich mich doch wieder an dem
beiliegenden Stück Papier), dass neben den Texten auch repräsentative Fotos
sowie Kurzkommentare zu den einzelnen Stücken enthält. Ihre
Selbstkomponierten 12 Stücke zeichnen einmal mehr ein sensibles, durchweg
handwerklich nahezu perfekt eingespieltes Werk einer sich auf ihrem Zenith
befindenden Sara K.. Der Sound der Blue-ray Disc vom “Made In The
Shade“-Album ist mit 5.1 DTS HD codiert und erfüllt alle technischen
Erwartungen an das schon bald alles beherrschende neue Medium Blue-ray Disc.
Lohnenswert auch für Neueinsteiger in Sachen Folk und Singer/Songwriter mit
Fokus auf sanftere, weiblichere Töne.
Muddy Waters - Live At Chicagofest (Big
Picture/Gravity/Wienerworld/In-Akustik)
McKinley
Morganfield
alias Muddy Waters trat 1981 auf dem Chicagoer Outdoor-Musikfestival
“Chicagofest” als Headliner auf.
Johnny Winter,
selbst nicht gerade ein Blues-Leichtgewicht, unterstützte ihn auf der Bühne.
Winter war zu der Zeit bereits als Produzent von Muddy Waters in
Erscheinung getreten und hat sicher eine Mitverantwortung für den Status des
Blues-Superstars, der Waters damals bereits anheftete. Wie wohl die beiden
sich musikalisch zusammen fühlten, lässt sich auf dem vorliegenden, leider
noch nicht einmal einstündigen Mitschnitt des Konzertes nachempfinden. Unter
den 12 Titeln, die der Mitschnitt anbietet, sind unter anderem “Mannish
Boy“, “Baby Please Don’t Go“ oder aber “Walking Thru A Park“. “Live At
Chicagofest“ ist so knapp und konkret wie sein Titel. DVD rein, Konzert
genießen. Nicht mehr, aber ganz sicher auch nicht weniger. Auch das hat
seinen Reiz. Ein konkretes Produkt zu einem konkreten und in diesem Fall
musikalisch sehr ergiebigen Ereignis. Besonders für Blues-Fans und
garantierter, sehr kurzweiliger Leckerbissen.
Billy Cobham’s Glass Menagerie - Live in Riazzino, Switzerland 1981
(Arthaus Musik/Naxos)
Dass die Reihe mit
ausgewählten Jazzkonzerten der Siebziger und Achtziger Jahre aus Italien, in
Deutschland auf Arthaus Musik erschienen, früher oder später bei Billy
Cobham landen würde, ja musste, war unvermeidlich. Der Großmeister des
Schlagzeugs gehörte bereits im mitgeschnittenen Konzert im schweizerischen
Riazzino 1981 zur absoluten Elite der weltweiten (Jazz)Schlagzeuger. Und so
ist es auch hier einmal mehr die wie selbstverständlich klingende
Leichtfüßigkeit, der Fluss der Musik, der gerade bei den improvisatorischen
Stücken wie “Vanessa“, dass über zehn Minuten lang, aber nicht langatmig
ist, überdeutlich mitschwingt. Billy Cobham’s Glass Menagerie spielt
die zehn Stücke des 90-minütigen Live-Mitschnittes wie aus einem Guss.
Michael Urbaniak (Violine, Saxofon), Gil Goldstein (Piano),
Tim Landers (Bass) und, last but not least, Gitarristengott Mike
Stern verfeinern als Glass Menagerie die noch immer aktuell
wirkende Aufnahme, bei der Tazio Tami Regie führte. Als Bonus gibt es
eine Biografie. Runde Sache.
Lady Saw - Extra Raw… The Best Of Lady Saw (VP
Records/Groove Attack)
Lady Saw
ist eine der relativ wenigen, echten Größen im weltweiten Reggae-Business.
Die schräge Rotzigkeit, zugleich aber auch die professionelle Gradlinigkeit,
die sie in ihren Alben zutage bringt, beeindruckt und macht den Female
Reggae, der ohnehin schon von Natur aus ein Faszinierender ist, umso
attraktiver. Nach einer fast 20jährigen Karriere, davon über 13 bei dem wohl
renommiertesten Reggae-Label überhaupt, VP Records, wurde es nun Zeit für
eine Werkschau. Dass die sofort als Doppelpack kommt, ist der Grund dafür,
das Album hier in der DVD-Ecke des SOUL TRAIN zu finden. Denn wo auf
der CD des Sets noch 18 ihrer größten Hits zu finden sind, gibt die
mitgelieferte DVD ein Sammelsurium an Interessantem und Faszinierendem
Preis. Wir finden eine Discografie, ein sogenanntes “EPK“ (Electronic Press
Kit, Anm. d. Red.) mit Fotos und Infos zur Lady der Säge, sowie ein recht
kurzer Live-Mitschnitt vom “The Return Of Shabba Ranks“-Konzert in Queens,
New York, aus dem Jahre 1997. Darüber hinaus kommt das Album mit
ausführlichen Liner Notes von Patricia Meschino. Sehr nett, das
alles, und für Neueinsteiger in Sachen Lady Saw genauso geeignet wie
für Fans der unermüdlichen Lady des Reggae. Bravo.
Archie Shepp Quartet -
Live From The Teatro Alfieri-Torino 1977-Part 1 (Arthaus Musik/Naxos)
Archie Shepp Quartet -
Live From The Teatro Alfieri-Torino 1977-Part2 (Arthaus Musik/Naxos)
Der 1937 in Fort Lauderdale, Florida, geborene Archie Shepp ist nicht
nur als Saxofonspieler eine populäre Galionsfigur des Zeitgenössischen Jazz.
Er spielt ebenso gut Piano und singt und war als Theater- und
Literaturwissenschaftler aktiv. Vermutlich ist es dieser bunten Mischung zu
verdanken, dass seine Musik alles andere als langweilig, ausgetreten, wirkt.
Das vorliegende Konzert, ein 32 Jahre junger Mitschnitt aus dem Turiner
Konzert mit dem Archie Shepp Quartet aus dem Jahre 1977 offenbart das
nachdrücklich. Die zwei DVDs, “Part 1“ und “Part 2“, zeigen Shepps besondere
Stärke: großen Klassikern seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Duke
Ellingtons “Sophisticated Lady“ kommt in einer fast zwölfminütigen
Version daher, Bronislaw Kapers “Invitation“ ist gar fast stolze 16
Minuten kurz. Denn von Langatmigkeit kann auf keinem der auf “Part 1“
befindlichen gerade mal drei Stücken mit einer Gesamtlaufzeit von einer
Stunde ebenso wenig die Rede sein wie in den fünf Songs auf “Part 2“, die es
immerhin auf fast 70 Minuten bringen. Siegfried Kessler (Piano),
Cameron Brown (Bass) und Clifford Jarvis (Schlagzeug) ergänzen
Shepp zu dem Quartett, dass die Gratwanderung zwischen freier Improvisation
und Linientreuer Interpretation bravourös hinbekommt. Und wenn bei Billy
Strayhorns unerreichtem “Lush Life“ die Spielfreude Shepps und seines
Quartetts die Turiner Bühne in einen Ort des Zaubers und der Magie
verwandelt, vergisst man schnell, dass der Mitschnitt drei Jahrzehnte auf
dem Buckel hat. Alle Achtung.
Seal - Soul Live (Warner)
Ich muss erst einmal mit
der nüchternen Wahrheit beginnen, dass ich nicht gerade ein Fan von Seal
bin, um es sehr milde auszudrücken. Für mich war seine Stimme immer etwas zu
viel des Guten, in etwa vergleichbar mit dem Effekt, denn Anastacias
Stimme auf mich hat. “Over the top“ nennt man das wohl. Und wenn ich so
darüber nachdenke, liegt die Musik der beiden tatsächlich sehr nah
beieinander. Dass Seals Musik immer mal wieder dem Soul zugeordnet
wird, hat mich immer schon überrascht. Denn tatsächlich war und ist seine
Musik doch eher klassische Pop-Ware. Um diesem Umstand entgegen zu wirken,
nahm sich Seal schon vor geraumer Zeit Soul-Klassiker, um sie neu zu
interpretieren. ”Soul Live“ offeriert nun so Klassiker wie James Browns
“It’s A Man’s Man’s World“, oder “If You Don’t Know Me By Now“ von Harold
Melvin & The Blue Notes. Oder aber Ben E. Kings unvergleichliches
“Stand By Me”. Doch so sehr ich auch versuche, meine Vorurteile zu
ignorieren, so sehr fühle ich mich beim durchhören der elf Titel der CD des
Doppelpacks CD/DVD in meiner Meinung bekräftigt. Die Produktion ist
rundlaufend, das Material hat potential und Seal gibt sich gerade in
diesem Live-Zusammenhang alle Mühe. Allerdings bleibt da wohl die Sache mit
seiner Stimme, die ganz bestimmt polarisiert. Die DVD des Sets bietet
Live-Versionen seiner Soul-Hits, die er mit “Soul“-Produzent David Foster
einspielt. Mit dem Gesamtprodukt, das liebevoll gestaltet ist, ist
eigentlich gar nichts falsch. Fans von Seal werden sich die Hände
reiben. Doch da bleibt nach wie vor diese Seal-Stimmen-Problematik,
die, für mich und damit rein subjektiv, den eigentlichen Reiz von “Soul
Live“ allzu deutlich überlagert.
Raphael Wressnig & Enrico Crivellaro Organ Combo
- Live At The Off Festival (Pepper Cake/ZYX Music)
Bereits mehrmals
berichteten wir im SOUL TRAIN über Raphael Wressnig und seine
einzigartige Beziehung zu “seinem“ Instrument, der Hammond B3. Was für seine
Alben zutrifft, trifft insbesondere für diesen Live-Mitschnitt zu: da knarzt
und wummert es, was das Zeug hält. Kaum ein Instrument wie die Hammond B3
hat so viel Soul im Bauch wie das Ungetüm an Instrument, das eigentlich
viele Jahre eher Stilen wie Easy Listening den Garaus machte. Eine DVD sowie
eine CD offeriert das Doppelpack. Die insgesamt 18 Stücke von Wressnig und
seinen Mitstreitern, Gitarrist Enrico Crivellaro, Trompeter Scott
Steen und Drummer Lukas Knöfler haben Energie und geben nach
vorne Druck ab, ohne dabei die Spielfreude und den Unterhaltungswert außer
Acht zu lassen. Hier steckt noch Seele im Jazz. Das auf CD und DVD gebannte
Konzert aus Kroatien kommt mit ein paar netten Fotos und Liner Notes von
Journalistenkollege Frank-John Hadley. Wie immer bei Raphael
Wressnig eine konkrete, teils regelrecht coole Angelegenheit mit einer
großen Zahl Soul-Spritzern, die das Gesamtbild erdig verfeinern.
Alle DVD-Besprechungen © Lex |
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