Jimi Tenors
mittlerweile über 20-jährige Geschichte in Sachen moderner Musik ist
unvergleichlich. Denn anders als die überwiegende Zahl seiner
Musikerkollegen legte sich Jimi Tenor nie auf einen bestimmten Stil
fest.
Sein unterkühlter, staubtrockener, finnischer Charme, der nicht nur im
SOUL TRAIN-Interview, sondern immer wieder auch in seinen Alben
deutlicher Charakterzug ist, untermauert diesen Eindruck.
Jimi Tenor,
der eigentlich Lassi Lehto heißt, startete ursprünglich mit Jazz und
der heute fast vergessenen Subströmung Industrial. In seiner Heimat Finnland
spielte er Saxofon bei seiner eigenen Band Jimi Tenor and his Shamans,
siedelte zunächst nach Berlin (wo Jahre später auch das hier besprochene
“Inspiration Information“-Album entstand), dann nach New York über.
Seine heutige Band Kabu Kabu sieht sich den Idealen von Afrobeat am
nächsten; seine größten Erfolge feierte Tenor in den Neunziger Jahren als
Aushängeschild der gerade richtig aufkeimenden elektronisch inspirierten
Club-Musik.
Jimi Tenor,
gerade in Deutschland ein überaus populärer und geschätzter Musiker, dessen
neuer Longplayer, die Zusammenarbeit mit dem König des Afrobeat, Drummer
Tony Allen und aktuelle Folge der erfolgreichen “Inspiration
Information“-Reihe (der SOUL TRAIN berichtete mehrmals) gerade
auf Strut Records/Alive erschienen ist, hat zwischenzeitlich von besagtem
Jazz und Industrial über Pop, Soul, House, Techno, Elektronischer Musik,
Filmmusik, Orchestralem Sound und psychedelischem Rock und im weitesten
Sinne experimenteller Musik alles bearbeitet, was irgendwie in den Rahmen
des Groove passt.
Im SOUL TRAIN-Interview beschreibt er diesen stetigen, stilistischen
Wandel bei einer gepflegten Flasche finnischen Bieres so: “Ja, ich habe ja
eine Menge elektronische und unterschiedlicher Musik gemacht. Aber ich mag
neben den ganzen obskuren Sachen und Psychedelic Rock natürlich auch
rhythmische Dinge. Das Album mit Tony (Allen) ist da schon etwas mehr
Mainstream. Es gab beim Album eine Menge Co-Musiker und ich habe versucht,
eine gemeinsame Sprache zu finden, so dass wir zusammen sprechen können.
Eine musikalische Sprache. Ich hatte ja auch schon einige Erfahrung mit
afrikanischen Musikern durch die Typen in meiner Rhythmus-Gruppe. Ich wusste
genau, was ich gerade NICHT versuchen oder ausprobieren sollte…“
Die neue “Inspiration Information“-Folge ist, wie die anderen Folgen
zuvor, eine echte Vermischung zweier Grundverschiedener Stile, statt einer
einfachen Zusammenkunft zweier großer Musiker. Wie kam es zu der
Zusammenkunft? Jimi dazu: “Strut Records bat mich, eine Liste mit fünf
Künstlern zu erstellen, mit denen ich gerne mal arbeiten möchte. Das ist bei
der “Inspiration Information“-Reihe, nach allem, was ich höre, wohl
die Standard-Vorgehensweise. Pharaoh Sanders stand ganz oben auf der
Liste. Aber dem gefiel das Projekt wohl nicht so sehr, und er ist ein sehr
traditioneller Jazzer.“
Und trotzdem ist die Zusammenarbeit mit Tony Allen alles andere als
zweite Wahl. Tatsächlich ist das Endergebnis, das Album, sehr weit davon
entfernt, zweitklassig oder deplaziert zu wirken. Denn auch hier kam die
Inspiration zur Musik aus dem Bauch heraus – wie das Ergebnis, eine
faszinierende Mischung aus Afro, Jazz und freier Improvisation jenseits der
üblichen Groove-Pfade. Afrokrautjazzgroove springt mich als Definition
dieser Zusammenarbeit förmlich an…
“Wir haben versucht, etwas zu finden, das gemeinsam funktioniert, als
Fusion.“ erläutert Jimi Tenor und führt aus: “Zumindest wollten wir
beim gemeinsamen musizieren komfortabel sein. Ich wusste ja nun überhaupt
nicht, wie Tony so drauf ist, auch, wenn mir alle sagten, er ist ein sehr
bescheidener und bodenständiger Mensch. Unkompliziert. Und das stimmt.
Jedenfalls war meine Rhythmus-Sektion sehr begeistert. Alle möglichen Leute
hingen rum, weil sie hörten, dass Tony Allen kommen sollte. Wir haben
dann also einfach angefangen, basierend auf den Demos, die ich vorab
erarbeitet hatte. Tony setzte dann einfach mit seinen Drums mit ein. Er
machte dort mit, wo es für ihn Sinn machte, und umgekehrt. Die meiste Zeit
war es ein einziger riesiger Jam. Wir haben uns dann wie in den Siebziger
Jahren einfach Stücke aus der Session herausgeschnitten. Du nimmst 30
Minuten improvisierter Musik auf und schneidest es auf 5 Minuten zurecht.
Miles Davis hat auch so gearbeitet.“
Also eine Art ganzheitliche Produktionsweise, die man dem Album deutlich
anhört. Es ist zu gleichen Teilen beeindruckendes Zeitdokument für die
Ausdruckskraft Jimi Tenors und den angeborenen, sehr lebendigen
Afro-Rhythmus der Drummer-Legende Tony Allen. Und doch hielt auch
dort die Technik Einzug, auch, wenn Tenor die Arbeitsweise Miles Davis’
so glorifiziert. Jimi dazu: “Heutzutage funktionieren die meisten Platten
doch wie ein Puzzle. Man addiert ein Element zum nächsten, und nach einiger
Zeit ist das Produkt, der Song, das Album, fertig. Es gibt heute weltweit
Experten für alles. Bis runter zum feinsten Detail. Die Stücke werden
einfach per Internet von Ort zu Ort geschickt und weiter veredelt. Ich
mochte aber immer diese Art Songwriting, wie sie Neil Young betreibt.
Du ziehst das ganze Ding durch, von Anfang bis Ende. Im Falle on Tony
Allen haben wir uns aber auch Dinge von A nach B geschickt. Manchmal
habe ich ihm eine sehr einfache Idee nach Paris geschickt, und er hat die
Idee weiter ausgearbeitet. Manchmal hat er mir aber auch einfach einen
Rhythmus geschickt, aufgrund dessen ich dann eine Struktur erarbeitet habe…“
Dann gab es anscheinend keinerlei Kontakt zu Tony Allen vor diesem
Date im Studio? Jimi Tenor erzählt die Geschichte dazu – mit
typischem unterkühlten finnischen Humor: “Tony Allen und ich haben
uns zuvor nie getroffen, sahen uns im Studio zum ersten mal. Abgesehen, von
dem Tag, an dem ich Tony auf einem seiner Besuche in Finnland ein Demo-Tape
in die Hand drückte.“ (lacht) “Ernsthaft, in den Siebzigern war Tony
Allen so unglaublich berühmt, und jetzt war ich mit ihm im Studio. Das
ist schon was. Ich bin mir nicht sicher, wie er darüber gedacht hat. (lacht)
Aber es war wirklich nett, mit ihm zuarbeiten. Wir haben gutes Essen
zusammen genossen, gut getrunken. Hatten eine tolle Zeit…“
© Dr.
Chuck |
Tony Allen und Jimi
Tenor
Jimi Tenor
Tony Allen
Aktuelles Album:
Jimi Tenor/Tony Allen -
Inspiration Information
(Strut Records/Alive)
|