Carl
Anderson - A.W.O.L. (Absence With Out Love)/On & On (Reissues) (Two Classic
Albums On One CD) (Epic/Sony Music/Expansion Records/Rough Trade)
Es
war auch dieses mal keine schwere Entscheidung, die “Album des Monats”-Krone
zu verleihen, denn keine Neuveröffentlichung erreichte auch nur annähernd
die musikalische Qualität dieses Carl Anderson-Wiederveröffentlichungs-Doppelpacks.
Nicht zum ersten mal gewinnt die beliebte “Two Classic Albums On One
CD“-Reihe vom englischen Soul-Vorzeigelabel Expansion Records damit die
Auszeichnung. Die äußeren Gegebenheiten legen dabei die Grundlage: Zwei
klassische Soul-Alben, hier aus den Jahren 1982 (“A.W.O.L. (Absence With
Out Love)“) und 1984 (“On & On“), Original-Coverabbildungen,
Liner Notes von Black Music-Journalistenlegende David Nathan,
insgesamt 16 Songs und die Magie eines unvergessenen Soul-Sängers wie
Carl Anderson und fertig ist eine Gewinner-CD auf ganzer Linie.
Dass bei Carl Anderson der Soul, die Musik, jedoch nur eines seiner
zwei Standbeine war, macht die Sache und die Besprechung dieser CD umso
interessanter. Denn noch mehr als in seiner Funktion als großer Soul-Sänger,
der jedoch als solches nie den Status eines Superstars erreichte, war
Anderson für seine Rolle des Judas Iscariot im legendären Broadway-Musical
Jesus Christ Superstar, die ihm in der Filmversion von Norman Jewison
gleich zwei Golden Globe-Nominierungen einbrachte, populär.
Doch konzentrieren wir uns hier auf das Talent, das sich aus meinen Boxen
schält. In Deutschland dürfte Carl Anderson, der seine Sangeskarriere
Anfang der Siebziger Jahre beim Detroiter Motown-Label begann und 2004 im
Alter von gerade mal 59 Jahren einem Leukämie-Leiden erlag, unstrittig für
seinen Clubhit “Buttercup“ bekannt sein, der sicher auch zu den besten Songs
dieses Albums gehört.
Gleich der zweite Song des Doppelpacks auf einer CD, “Going Out Again“,
zeigt Anderson jedoch musikalisch auch in anderen Sphären als nur denen der
Clubtauglichen Black Music. Eine solche Produktion kann in der Textur und
Intonation nur aus den USA kommen. Die Sehnsucht, und auch der unverblümte
Schmalz, diese betonte Carpenters/Chicago-Charakteristik
springt einen förmlich an, gibt dem Album, sorry, beiden Alben, aber eben
auch erst die richtige Authentizität und direkte Nachvollziehbarkeit.
Was
sicher zunächst mal das Verdient von Soul-Produzentenlegende Richard
Rudolph ist, der das erste Album der CD, “A.W.O.L. (Absence With Out
Love)“, produziert hat. Ein schlicht sehr amerikanischer Soul-Produzent,
der eine klare Handschrift trug. Dass der Titelsong und erste Song dieser CD
gleich ein Duett mit Teena Marie ist, spricht da Bände.
“On & On“
wurde dagegen von John “Skip“ Anderson und Steve Williams
produziert, hat eine leicht geänderte Klangfarbe und steht dem legendären
“A.W.O.L. (Absence With Out Love)“ in nichts nach. Der Sound ist voll,
catchy und überwiegend im Midtempo-Segment angesiedelt, was der sandigen
Stimme Carl Andersons stark zuspielt.
Zu
den besten Songs des Album gehören neben erwähntem “Buttercup” zweifelsfrei
auch “C’est La Vie“, “Got To Find A Way To Get To You“ oder “Lose That
Girl“.
“Keep It Alive“ vom “On & On“-Album steht dabei wohl am eindeutigsten
als Beispiel für den ansteckenden Sound zwischen frühem Achtziger Jahre
Club-Gefühl und der Magie einer nicht überreizten Soul-Stimme. Ein Song für
die Ewigkeit.
Fazit: Das Album des Monats Februar 2010 sollte in keinem echten Soul-Regal
fehlen.
©
Michael Arens |