Tokyo Ska Paradise Orchestra - Paradise Blue (Module/Groove Attack)
“Ein
Ska-Album als “Album des Monats Oktober 2010“ im SOUL TRAIN? Ist das
nicht etwas weit hergeholt?“ werden sich an dieser Stelle sicher viele
fragen. Dazu mag es unterschiedliche Meinungen geben. Ich sage: und wie!
Denn was
hier so offenkundig zunächst mal Ska ist, entpuppt sich auf den immerhin
zwei CDs von “Paradise Blue“ höchstens im Spieltempo als Ska. In der
musikalischen Umsetzung geht das Werk nämlich genauso gut als Soul durch,
als Retro-Soul, als Anleihe bei Groove, Funk und authentisch klingendem
Blaxploitation-Material, dass spielend einem entsprechenden Genrefilm der
Sechziger oder Siebziger Jahre entnommen sein könnte.
Doch der
Reihe nach. Das Tokyo Ska Paradise Orchestra ist nicht weniger als
Japans legendärste, erfolgreichste und populärste Ska-Formation. Die Band
gründete sich bereits 1988. Ihre erste Single, “Monster Rock“ aus dem
darauf folgenden Jahr, erreichte sogar die Top Ten-Single-Charts im Land der
aufgehenden Sonne!
Das
Tokyo Ska Paradise Orchestra, oder auch Skapara oder TSPO,
wie sie die Fans nennen, etablierten sich sehr schnell zu dem, was sie heute
sind – der Ska-Band Nr.1 Japans!
Auf
insgesamt 14 Studioalben bewiesen TSPO immer und immer wieder, wie
vielfältig und vielschichtig gerade Ska sein kann und besonders in Japan
auf- und ausgelegt wird.
Nicht
erst seit gestern ist Japan eines der geeignetsten Länder, an richtig rund
und unglaublich authentisch eingespielte Black Music, ob nun Soul, Funk oder
eben Ska, zu kommen. Dort ist das große Black Music-Genre sogar ein echtes
Massenmedium, dass die Pop-Charts ebenso beherrscht wie den Underground. Der
SOUL TRAIN berichtete bereits mehrfach über dieses Phänomen.
Doch
zurück zum Tokyo Ska Paradise Orchestra und ihrem neuen Longplayer
“Paradise Blue“, ihrem ersten Album, dass hier in Europa offiziell
veröffentlicht wird. Ihre früheren Werke sind selbstredend über irrsinnig
teure Import-Kanäle zu beziehen, weswegen an dieser Stelle hoffentlich alle
Soul-Fans mit offenem Herzen und Ohren mit den Zungen schnalzen: Denn
“Paradise Blue“ ist eigentlich eher so etwas wie eine Werkschau von
TSPO-Material der vergangenen zehn Jahre denn ein konzeptionelles, neues
Studioalbum. Skapara also endlich erstmalig in Europa – schließlich
und endlich mit bezahlbarem Budget im regulären Handel zu beziehen.
Das
Material der insgesamt 23 Titel ist mitnichten nur einfach konkret
daherknüppelnder Ska, sondern modelliert sich selbst zu einer Art
Mono-Atmosphäre (ja, das Gegenteil von Stereo), die in diesem Zusammenhang
das Material irgendwie alt, in Ehren ergraut und unglaublich soulful und
funky werden lässt. Weswegen sich damit auch der Bogen zurück zur eingangs
erwähnten Problematik spannt, ob denn nun ein Ska-Album die “Album des
Monats“-Krone absahnen kann und darf. Noch einmal ganz deutlich: es
darf, sollte und muss.
Denn so
rundum beseelt kommen sogar viele waschechte Soul-Alben mit Soul-Material
nicht daher. Vom Material des Tokyo Ska Paradise Orchestra, dass auf
dem sehr liebevoll gestalteten Doppelpack eigentlich auch nur exemplarisch
zusammengestellt wurde, um den europäischen Markt zu erobern, dürfen sich
viele vom Stil her eindeutige Soul-Acts eine gehörige Scheibe abschneiden.
“Paradise Blue“
– das beste Soul-Album der letzten Monate, das eigentlich keines ist.
©
Michael Arens |