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CD-BESPRECHUNGEN / CD-REVIEWS |
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CD-BESPRECHUNGEN / CD-REVIEWS |
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Busy Signal - Reggae
Music Again (VP Records/Groove Attack)
Das aktuelle Busy Signal-Album macht dem schwer angesagten Namen
seines Künstlers alle Ehre. Denn der Sound von Busy klingt auch ebenso. In
den immerhin 17 Songs von “Reggae Music Again“, einmal mehr beim
Reggae-Megalabel VP Records erschienen, passiert so unglaublich viel, dass
man dem Album mehrmaliges Durchhören gönnen sollte, alle Aspekte, sofern
möglich, erfassen zu können. Busy Signal arbeitet mit Dancehall, mit
Roots-Reggae, mit Dub, Lover’s Rock und sogar mit Electronica und
Versatzstücken aus Soul, Rock, Pop und Jazz – der Albumtitel lässt grüssen.
Busys Manager und Produzent der überwiegenden Songs des Albums, Shane C.
Brown, weiß im Presseinfo mehr zum warum: “Dancehall alleine kann
Jamaikas Musikindustrie nicht am Leben erhalten. Reggae hat soviel mehr
Substanz und Langlebigkeit und Busy (Signal) ist einer dieser seltenen
Künstler seiner Generation, der zugleich singen kann als auch als DJ
authentische Reggae-Rhythmen verwertet.“. Nachzuhören auf jedem der 14
regulären und drei Bonus-Tracks des hochgradig anspruchsvoll produzierten
neuen abendfüllenden Longplayers von Reggae-Superstar Busy Signal.
Big Up!
© Marco Steinbrink |
UP
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Various -
Obsession
Lounge Vol. 6
(Clubstar)
Endlich
nimmt mal jemand den Begriff “Lounge” wieder für das, was er ursprünglich
einmal war: eine Art Clubtaugliche Meditationsmusik, auch, wenn sich dieser
Vergleich etwas holprig liest. Tatsächlich wurde jenes Lounge-Genre (seit
seinen Anfängen addierte sich noch der Begriff “Chill“ dazu) über die vielen
Jahre seines Bestehens immer mehr durch House, Jazz und sogar Beats, Breaks,
Hip Hop und allem, was ansonsten noch als Electronica zu bezeichnen wäre,
verwässert. Doch zur Sache. Der sechste Teil der “Obsession Lounge“-Reihe
kommt auf zwei CDs und insgesamt über 150 Minuten Material auf immerhin 24
Songs, die so homogen klingen, wie es die Ideologie des “Lounge“-Begriffs
ursprünglich mal vorgesehen hat. Alex Butcher feat. Kevin Iszard,
Christopher Goze, Sambox, Easy L, Ronny Morris,
De Spira oder Mathieu & Florzinho sind beispielhaft dabei, den
durchweg gelungenen Sound des sehr hochwertig gestalteten Doppelpacks zu
veredeln. Der Münchener DJ Jondal war einmal mehr für die mit sehr
viel Fingerspitzengefühl zusammengestellte sechste “Obsession Lounge“-Folge
verantwortlich und zeigt, dass das Lounge-Genre langsam aber stetig wieder
zu seiner ursprünglichen musikalischen Identifikation zurückkehrt.
© Oliver
Gross |
UP |
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Vibratanghissimo
-
Ciudades… Berlin (big-tone-records/NRW Vertrieb)
“Ciudades… Berlin“
ist der erste Teil einer Trilogie von Vibratanghissimo, die in Berlin
beginnt und die in weiteren Folgen Paris und schließlich die Heimat des
Tango, Buenos Aires, behandeln wird. Juan Lucas Aisemberg (Violine),
Tuyêt Pham (Piano), Arnulf Ballhorn (Bass) und
Bandnamensgebend Oli Bott am Vibraphon vermischen auf dem inhaltlich
unstrittig anspruchsvollen Album jenen Tango mit Versatzstücken aus
Weltmusik und zeitgenössischem Jazz und sind sich dabei ebenfalls nicht zu
Schade, es immer mal wieder richtig pointiert einem mitreißenden Groove zu
überlassen, das Zepter in die Hand zu nehmen. Natürlich dürfen neben
diversen Originalstücken auch einige der großen Klassiker von Tango-Gott
Astor Piazzolla nicht fehlen. Wer nun aber erwartet, dass die neun Songs
des Albums ein reines Tango-Ding seien, wird mit jedem Song aufs Neue eines
Besseren belehrt - hier herrscht zugleich der Geist von Jazz und Groove. So
ist “Ciudades… Berlin“ ein teils mitreißendes und dankbarer Weise nur
selten kopflastiges Werk, dass seine wahre Kraft aus der virtuosen,
stilistisch exakten Vermischung der diversen Musikströmungen zieht. Ob die
Musik nun tatsächlich die Seele der Hauptstadt atmet, sollte jeder für sich
selbst entscheiden… Paris und Buenos Aires werden die nächsten beiden
musikalischen Ziele von Vibratanghissimo sein. Man darf getrost
gespannt sein.
©
Michael Arens |
UP |
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Adam Palma - 2012
(Acoustic Music/Rough Trade)
Adam Palma
ist ein polnischer Fingerstyle-Gitarrist, der in seiner Heimat alles andere
als ein Unbekannter ist. Sein Debüt gab Palma, der bereits mit Chris
DeBurgh, Tommy Emmanuel und Martin Taylor arbeitete, 2009
und etablierte sich seither als eine der größten Hoffnungen in Sachen
europäischer, akustischer Gitarrenmusik. “2012“ soll nun sein Jahr
werden, dachte sich Palma wohl, und benannte das immerhin zwölf Songs lange,
neue Werk - sein erstes beim Osnabrücker Acoustic Music-Label (der SOUL
TRAIN berichtete bereits unzählige male) - schlicht ebenso. Zielsicher,
virtuos und gradlinig strukturiert fliegt Adam Palma hier über seine
Saiten und verpasst so dem Album, dass er mal eben selbst geschrieben hat
und das von Peter Finger produziert wurde, neben einem sehr
angenehmen Tempo, dass gleichzeitig bewegt und zurückgelehnt zu sein
scheint, tatsächlich einen sehr starken und lange nachschwingenden Charakter
und einen Groove, der mitunter gar zum vorsichtigen Fußwippen anregt – keine
Selbstverständlichkeit bei akustischen Gitarrenalben. Nach Aussage der
Presseinfo ist Adam Palma einer der “hellsten Sterne“ des
gegenwärtigen Akustik-Gitarren-Firmaments. Dem schließe ich mich gerne und
voller Überzeugung an – nachzuhören auf “2012“!
© Holger S. Jansen |
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John Sund
- The Open Road-A Travelogue In Four Parts (Exlibris)
Der
Album-Untertitel “A Travelogue In Four Parts” weist bereits eindeutig
darauf hin: dieses Album ist kein Alltägliches. Unterteilt in die Bereiche
“The Open Road“ (Afrika), “A Northern Song“ (Europa),
“Balkano“ (Balkan) und “Sandy’s Journey“ (Indien) fungieren die
insgesamt 15 Stücke des Sets tatsächlich eher wie ein Reisejournal. Die
Musik selbst ist dabei zugleich eine Mixtur, die sich seine Einflüsse aus
den unterschiedlichsten folkloristischen Strömungen der jeweiligen Regionen
holt, mal mit Jazz, mit Weltmusik im weitesten Sinne, aber auch mit Blues,
mit Soul, Funk und Pop und sogar klassischer Musik liebäugelt. Ein weiteres,
oft gefühltes Element ist die fast Hörspielartige Struktur des Werkes, dass
es sicher verdient, hinterfragt und unbedingt wiederholte Male konsumiert zu
werden. Der Däne John Sund, der Komponist als auch Produzent von
“The Open Road“ ist, nimmt sich im Booklet ausgiebig Zeit, die
Geschichte hinter dem ungewöhnlichen Album zu erklären - sicher ein
Zugeständnis an Interessierte, denen bereits der Albumtitel wohl etwas
zuviel Anspruch und einen schwierigen Zugang anzusagen scheint. Dabei fällt
auf, dass die Musik, so sehr sie auch mit Gefühlswelten jener
unterschiedlichen Regionen arbeitet, oft gar nicht so unterschiedlich ist,
was sicher einmal mehr Sunds Verdienst ist, ist er doch Geistvater des
Projektes, dass sogar vom Danish Arts Council unterstützt wurde. Kein ganz
einfaches Album, dem man aber unbedingt die Gelegenheit geben sollte, seine
ganz eigene Reise durch Afrika, Europa/Balkan sowie Indien zu beschreiben.
© Michael Arens |
UP |
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Kira
- Memories Of Days Gone By (Stunt Records/Sundance Music/Challenge/Sunny
Moon)
Auch,
wenn im Presse-Info in Zusammenhang mit Sängerin Kira immer wieder
der Vergleich zu Billie Holiday gezogen wird, scheint mir dieser
Vergleich doch etwas irreführend. Da ist zunächst mal die Stimme Kiras,
die einen viel progressiveren Umgang mit ihrer Musik pflegt. Vom rein
musikalischen Anstrich her klingt die Musik von “Memories Of Days Gone By“
sogar deutlich eher wie das eines weiblichen Tom Waits. Dort wird
eine gehörige Portion retrospektiver Gefühlswelten längst vergangener Zeiten
(der Albumtitel lässt grüssen) auf den Tisch gebracht, da finden sich auch
schon mal Querverweise auf Kate Bush, auf Nina Simone oder auf
die poetische Ehrlichkeit eines Leonard Cohen. Selbstverständlich ist
das Album ein Individuelles, eines, das seine ganz eigenen territorialen
Musik-Ansprüche selbstbewusst einfordert. Lediglich an einigen wenigen
Stellen quält mich doch der Gedanke, dass hier etwas weniger
Individualcharakter und ein Hauch mehr Mainstream-Gefälligkeit dem Antlitz
des ansonsten souverän eingespielten Longplayers gut getan hätte. Dass die
gleiche Presseinfo dann in Zusammenhang mit Kira von einer
“Rock-Sängerin“ spricht, stimmt zwar auch nur im gefühlten Zusammenspiel mit
Kiras Begleitmusikern, zeigt jedoch zugleich auch das Dilemma auf,
dass Kira dann am Ende zu diesem Individual-Album führt, dass an den
besten Stellen hervorragend funktioniert.
©
Holger S. Jansen |
UP
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Gradischnig-Schwinn-Pirker
- Under Western Skies (Cracked Anegg Records/Handsemmel Records/Sunny Moon)
Vielleicht wäre es ein sinnvolles Zugeständnis an die kommerziellen
Fähigkeiten des Trios Herwig Gradischnig (Saxofon und
Bass-Klarinette), Frank Schwinn (Gitarre) und Herbert Pirker
(Schlagzeug) gewesen, ihren eigenen Namen in eine schlichtere Form zu
packen. Gradischnig-Schwinn-Pirker geht nun wirklich nicht einfach
von der Zunge. Andererseits ist es genau das, was die Musik des Trios, dass
eigentlich Jazz macht aber Country-Nostalgie ist, bereits in eine korrekte
Ansprache packt. Auch der Albumtitel spielt auf die fast subversive
Vermischung aus Jazz und Country an. Faktisch ist die Musik anfänglich eher
zeitgenössischer Jazz, das Gefühl der zehn Titel, die solch Westernartige
Titel wie “Dakota“, “Mexican Shootout“, “The Doc Is On
Holiday“ oder “Way Out West“ haben, gehört jedoch immer wieder in
den Country- und Western-Bereich. Erst zur Mitte hin klingt wie etwa bei
jenem “Way Out West“ auch melodisch und spielerisch der Wilde Westen
endgültig eine tragendere Rolle. Die Eigenkompositionen des Trios sind schon
ein wenig starrsinnig, spielen dabei frei von der Leber auf und tun ihr
Bestes, das Country-Element, mitunter in selbstironischem Gewand und zumeist
unter Federführung des Saxofonspiels des Herrn Gradischnig, so flüssig es
das Konzept zulässt in den Album-Sound einzuweben. Um die Verliebtheit mit
dem Western-Genre abzurunden, ist “Under Western Skies“ einigen der
größten Regisseure des Genres mit den rauchenden Colts gewidmet: Anthony
Mann, Nicholas Ray, Howard Hawks und John Ford. Für
mich hätte zwingend Sergio Leone dazu gehört, doch lassen wir diese
cineastischen Spitzfindigkeiten und belassen das Album als das, was es ist:
ein zeitgenössisches Jazzalbum mit spielerischen Querverweisen auf Country-
und Western-Ideale. Ungewöhnlich.
©
Michael Arens |
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Neil
Yates
- Five Countries (Edition Records)
Etwas
wild und ungestüm scheint mir zunächst der Einstieg in das erste
abendfüllende Werk von Trompeter Neil Yates, Gitarrist Zsolt Bende
und Perkussionist Cormac Byrne – gemeinsam Musiker mit einem
Hintergrund aus insgesamt fünf Ländern - der Albumtitel lässt herzlich
grüssen. Einige Stücke später wird klar, dass hier wirklich das Spiel von
Trompetenvirtuose Yates das vordergründige Element ist, dass es hier seitens
der zwei Begleitmusiker Bende und Byrne zu unterstützen gilt. Auch, wenn im
Albumtitel als auch in der Presseinfo von den verschiedensten Einflüssen
jener fünf Länder - Irland/Schottland, Spanien, Rumänien, Ungarn und die USA
- auf die Musik die Rede ist - die Presseinfo spricht beispielsweise
ebenfalls etwa von Flamenco - ist es doch tatsächlich das gerne an Bebop und
klassische Jazzelemente angelehnte Spiel um die Trompete des Herrn Yates,
der seinem Instrument so einiges Beeindruckendes abringen kann. Was bleibt
ist ein beachtliches Erstlingswerk eines Musikers, der sich der Magie seines
Instruments - der Trompete - mehr als bewusst ist, jedoch der selbst
auferlegten Marschrichtung im Titel nur bedingt treu bleibt, sodass das
Album in weiten Strecken eher wie ein konsequentes zeitgenössisches
Jazz-Album eines überaus talentierten Jazz-Trompeters als eines, das eine
musikalische Weltreise bebildern möchte, klingt. Aber das ist schließlich
alles andere als schlecht.
©
Michael Arens |
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Tania Maria featuring Eddie Gomez
- Tempo (Bel Horizon/Naїve/Indigo)
Der
erste Blick auf das neue Album der brasilianischen Gesangs- und
Pianisten-Legende Tania Maria gibt auch zugleich eine
Inhaltsbeschreibung von “Tempo“ ab: Eddie Gomez, einer der
profiliertesten Bassisten weltweit stellte sich der Herausforderung und
erstellte gemeinsam mit Maria den Reigen aus acht Songs jenseits der
üblichen Werke aus brasilianischer Musik mit Jazz-Einschlag. Tania Maria
ist dabei souverän genug, einfach ihren in Jahrzehnten legendären
Jazz-Superstar-Daseins gewonnenen Selbstwert immer wieder ohne die Frage
nach der Meinung der breiten Masse zum Ausdruck zu bringen. So ist
Brasil-Legende Tania Maria bei “Tempo“ eigenwillig und
individuell bis ins Mark, dichtet ihrer Musik, dabei Coverversionen von
Antonio Carlos Jobim oder Roberto Carlos, immer wieder ihre ganz
eigene Geschichte auf und lässt das Set damit erzindividuell und
außergewöhnlich abwechslungsreich erscheinen. Tatsächlich trägt das auch
Stilblüten, die mal in zeitgenössischem Jazz, mal in brasilianischer
Musiktradition, mal aber auch in Blues, in Pop oder in Folk verweilen -
Tania Marias Musik ist nach wie vor die des Unerwarteten, aber auch die
des musikalisch Nachvollziehbaren. “Tempo“ spiegelt dabei mitnichten
das tragende Element der herausragenden und einmal mehr durchweg
überzeugenden Arbeit der unvergleichlichen Tania Maria wider, sondern
beschreibt eher das Werkzeug - eben das Tempo - das dem Album zusammen mit
Marias Stimme und Pianospiel eine noch eigenere, souveränere Würzung gibt.
©
Holger S.
Jansen |
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Maria Bethânia - Oásis de Bethânia (Sarapui/Galileo
MC)
Das neue Album von Maria Bethânia,
eine der wohl erfolgreichsten und populärsten brasilianischen Musikerinnen
überhaupt, befasst sich auf seinen zehn Titeln mit Songs von Marias
Lieblingsinterpreten. Die Coverversionen im typischen Bethânia-Folk-Stil
reichen von Material aus der Feder von Chico Buarque und
Roque Ferreir
über Djavan bis zu Jata Velloso, was die erste gute Nachricht
ist. Denn
Bethânia ist Profi genug, nicht noch die
zehntausendste Version eines Antonio Carlos Jobim-Songs mit ins
Albumprofil zu nehmen. So entstand hier eine absolut homogene Mixtur, die
seine Lebensenergie insbesondere aus seiner dichten Atmosphäre und seinem
bewusst behäbigen, intensiv-schweren Tempo zieht. Unterstützt wurde Maria
hier unter anderem von Hamilton de Holanda, Jorge Helder,
Lenine, Jaime Alem und Marcelo Costa, um nur einige wenige
zu nennen.
Maria Bethânia
zeigt auch auf
ihrem aktuellen Album “Oásis de Bethânia“,
dass die fünf Jahrzehnte seit ihren Anfängen nicht ohne Professionalität und
Souveränität an ihr vorübergezogen sind. So klingt das Album trotz der
Unterschiede der einzelnen Lieder wie aus einem Guss und wirkt oft so
intensiv dabei unglaublich natürlich, dass sich das Ganze eher wie ein sehr
langes Gedicht anhört und vor allen Dingen anfühlt – typisch Maria Bethânia
eben. Magie nennt man so etwas wohl…
© Gregor
Poschoreck |
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Eda Zari
- Toka Incognita (Intuition/Schott Music & Media)
Wem
bereits der Titel ungewöhnlich erscheint, wird sich von der auf dem Album
befindlichen Musik durchaus bestätigt fühlen. Eda Zari kommt aus
Albanien und pflegt die hierzulande seltene Kunst des iso-polyphonen
Gesangs. Das zeigt sich ebenfalls im mehrsprachigen Textfundament (Albanisch
und Englisch), dass Zari auf “Toka Incognita“ (Toka bedeutet übrigens
soviel wie “Welt“ auf albanisch) an den Tag legt. Doch auch in Intonation,
Phrasierung und Interpretation setzte und setzt Eda Zari Maßstäbe -
so klingt das Album mitunter regelrecht geheimnisvoll, spannend, auch mal
irritierend. Dass Zari bereits seit vielen Jahren eine feste Größe zwischen
Jazz, Folklore und einprägsamer Sangeskunst ist und bereits seit etlichen
Jahren auf den großen und kleinen Bühnen der Welt zuhause ist, zeigt der
Umstand, dass unter anderem Gäste wie Trompeter Sebastian Studnitzky
oder Gitarrist Dominic Miller sich die Ehre eines Stelldicheins
geben. Eda Zari komponierte, arrangierte und produzierte ihre
“Toka Incognita“ fast im Alleingang und stellt so sicher, dass ihr
Gesang als auch der eigenwillige, aber überaus hörenswerte Klangteppich eine
fest ineinander verschmolzene Einheit ergeben, die Geheimnisvoll und
Eklektisch zugleich wirkt. Fairer Weise sollte man dem Album Zeit zum Atmen
und damit ein wiederholtes Hören gönnen, seine eigene Schönheit glaubhaft
vermitteln zu dürfen und können.
©
Michael Arens |
UP |
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Jonas Schoen Sextet & Steve Swallow
- Agnostic Chant Book (Schöner Hören Music/NRW Vertrieb)
Atmosphäre heißt hier das Zauberwort, dass das “Agnostic Chant Book“
von Saxofonist Jonas Schoen von einem tiefenentspannten Titel zum
nächsten trägt. Dabei ist bei aller bewussten Zurückgelehntheit eine
angenehme, mit Spielfreude angereicherte Vorwärtsbewegung allgegenwärtig,
die den selbstbewussten Auftritt des Albums in seinen Grundfesten
unterstützt. Dass sich das Album nicht nur im Titel mit dem Agnostizismus
befasst, wird spätestens im sehr edel gehaltenen Äußeren des Albums und den
Erklärungen und Bemerkungen im Booklet deutlich – Jonas Schoen,
Bassist Steve Swallow, Sandra Hempel (Gitarre), Buggy
Braune (Posaune), Pepe Berns (Bass), Heinz Lichius
(Schlagzeug) und Robby Geerken (Perkussion) war der Inhalt als
Message ebenso wichtig wie spielerische Vielfalt bei gleichzeitiger,
struktureller Disziplin. “Agnostic Chant Book“ ist ein emotionales
Album mit tiefsitzender Thematik, dass sich aber immer wieder selbst
diszipliniert und den gewählten Pfad aus gradlinigem zeitgenössischen Jazz
mit Free Jazz-Attitüde nie verlässt. Ein atmosphärisch beeindruckend dicht
gewebtes Stück Jazz-Gut, das Brillanz und Produktivität aber auch
Genügsamkeit und Langsamkeit als Charakter benennt.
© Holger S. Jansen |
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Dennis
Rollins Velocity Trio
- The 11th Gate (Dennis Rollins/Motéma Music/Membran Music)
Dennis Rollins
spielt Posaune. Als Sohn jamaikanischer Einwanderer machte der 1964 in
Birmingham, England geborene Rollins bereits vor einem viertel Jahrhundert
von sich Reden und gehört heute zu einem der weltweit anerkanntesten
Posaunisten überhaupt - neben Arbeiten mit Sting, Blur, Tom
Jones oder Jamiroquai lieferte Dennis immer wieder auch
großartige Solo-Arbeiten ab. Gemeinsam mit Schlagzeuger Pedro Segundo
und Organist Ross Stanley widmet er sich als Velocity Trio nun
dem Datum 11.11.11 und der damit verbundenen Mystik und den entsprechenden
Eigenarten. So ist auch der Albumtitel bereits eine Anspielung auf das
wiederkehrende Album-Thema… Im Booklet erzählt Rollins von einem Gespräch
mit dem großen Jazzsaxofonisten Courtney Pine (der SOUL TRAIN
berichtete wiederholt), durch das er die Inspiration um die Albumthematik
fand. Dass aber immer wieder, wie im Presseinfo als auch von Dennis
Rollins in jenem CD-Klappentext selbst erwähnt, Funk eine Rolle im
Geflecht des elf Stücke langen Albums spielen soll, ist nur schwer
nachvollziehbar. Vielmehr jagt Rollins hier selbst immer in ausgesprochen
interpretatorischem, zeitgenössischem Jazz, in Bebop oder gar in Free Jazz,
freilich, um hier und da auch mal kurz echte Groove-Qualitäten
herauszuspielen. Aber jener Funk klingt allenfalls zum Ende des Albums in
eher gefühlten Stromlinienformen eine untergeordnete Rolle, was zugleich
irgendwie schade ist, hätte doch gerade Funk hier dem Fluss des Longplayers
etwas auf die Sprünge helfen können. Was bleibt ist ein konzeptionell
starkes Album eines herausragenden Posaunisten. Und das ist immerhin schon
sehr viel.
©
Michael Arens |
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Mike Longo Trio + 2
- To My Surprise (Consolidated Artists Productions)
Vielleicht liegt es am Produzenten von “To My Surprise”, Saxofonist
Bob Magnuson, dass sich das zweite Album von Jazzpianist Mike
Longo in immer wiederkehrenden Phasen eher wie ein Album eines
Saxofonspielers anhört, denn das eines Pianisten. So spielt sich immer
wieder Lance Bryant, Tenorsaxofonist der Formation zwischen Mike
Longo, Bob Cranshaw (Bass), Lewis Nash (Schlagzeug) und
Jimmy Owens (Trompete und Flügelhorn) und scheint so unbewusst die
tragende Rolle zu spielen. Dabei ist es gerade dieser Formation wichtig, als
gemeinsames Kunstkonglomerat zu funktionieren und sich frei von jeglichen
Plattenfirmen-Zwängen zu bewegen, weswegen sich Longo und Co. gleich zur
unabhängigen Plattenfirma Consolidated Artists Productions zusammen taten.
Herausgekommen ist ein zwölf Songs langes Werk, dass oberflächlich mit
Mainstream Jazz und New York Jazz, unterschwellig mit Melodien, Harmonien
und gelegentlichen Gefühlsausbrüchen aus Bebop oder Funk liebäugelt. Dass
alle Titel live in Studio als gemeinsame Band eingespielt wurden (statt am
PC zusammengestückelt zu werden), tut dem Musikgefühl von “To Me Surprise“
ebenfalls gut. Denn nur so kann sich die sehr lebendige Natürlichkeit des
Mike Longo Trios +2 (dank der +2 zum Quartett gewachsen) frei entfalten.
Neben einigen eigenen Kompositionen kommen Klassiker aus der Feder von
Wayne Shorter (“Limbo“) oder Herbie Hancock (“Eye Of
The Hurricane“) zum Tragen und verschmelzen das Material zugleich zu
einer erdigen Masse, die deutliche Geradeausbewegungen ebenso ihr Eigen
nennt wie verschnörkelte Winkelhaken.
© Michael Arens |
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Mohammad Reza Mortazavi
- Geradeaus (Flowfish Music/Broken Silence)
Völlig
wertfrei sage ich an dieser Stelle, dass der Albumtitel absolut korrekt
gewählt wurde, jedoch aufgrund des Inhalts von “Geradeaus” zunächst
leicht irreführend ist. Denn tatsächlich spricht das Album mit seinen sechs
Titeln, unterteilt in “Geradeaus Nr.1-3“ in unterschiedlichen Teilen,
nur ein sehr bestimmtes Klientel an. So macht der in Berlin lebende
iranische Trommelvirtuose Mohammad Reza Mortazavi keinen Hehl aus
seiner ansteckend intensiven Leidenschaft für sein Instrument bzw. seine
Instrumente Daf und Tombak, beides persische Handtrommeln, die hier zugleich
die einzigen Instrumente des Albums überhaupt sind. Die selbstkomponierten
Stücke sprechen fast ausschließlich, dafür mit intensivem Nachdruck all jene
an, deren Welt jene zwischen abendländischer Musikkultur, instrumentaler
Weltmusik und folkloristischer Weltanschauung ist. Im sparsamen
CD-Klappentext erläutert Mohammed Reza Mortazavi die Idee hinter dem
Album und seinem “Geradeaus“-Konzept, kann so aber nur ein wenig mehr
zur Entschlüsselung der Musik des Albums beitragen. Ganz sicher nicht
Jedermanns Sache - an “Geradeaus“ werden sich zugleich aber auch
nicht die Geister spalten, denn entweder man mag minimalistische, mystische
und esoterisch verklärte Trommelmusik, oder man hört sich ein Album wie
dieses erst gar nicht an. Ein klassisches Nischenprodukt, dass, so viel
Objektivität muss sein, jedoch vom virtuos aufspielenden Mortazavi
erstklassig interpretiert wurde.
© Michael Arens |
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