INTERVIEW

Jo Stance - Lo-Fi(n)-Soul

Aktuelles Album: Jo Stance - Jo Stance (Ricky-Tick Records/Groove Attack)

Jo Stance - Lo-Fi(n)-Soul

Aktuelles Album: Jo Stance - Jo Stance (Ricky-Tick Records/Groove Attack)

Eingefleischte SOUL TRAIN-Leser werden sich sicher noch an unser Interview mit Teppo “Teddy Rok” Mäkynen erinnern (...weiter lesen›››). Damals ging es um das Album der Stance Brothers, einem vermeintlichen Bruderpaar, dass es tatsächlich gar nicht gab, sondern das nur ein Alter Ego von Multitalent Mäkynen, Arrangeur, Songschreiber, Produzent, Multiinstrumentalist und Ideengeber des Projektes, zwischenzeitlich einer der ganz großen Stars am finnischen Jazz-, Soul- und Groove-Himmel, war.

Teddy Rok, wie er sich damals auch nannte und es immer noch tut, überzeugte in den Jahren seit jenem Interview mit unzähligen Alben, Singles und Kooperationen vor und hinter den Studio-Reglern.

Die finnische Soul- und Jazz-Szene, die vor allen Dingen aus dem großen Fundus der Ricky-Tick Records-Veröffentlichungen ihren Lebenssaft bezieht, ist heute ohne den quirligen, jedoch stets auf die Rolle des Mannes im Hintergrund fixierten Teddy Rok, Teppo Mäkynen oder Herrn Stance (Brothers), oder wie er sich auch gerade nennt, nicht mehr von internationaler Bühne wegzudenken.

Neuester Streich ist das Selbstbetitelte Debütalbum einer jungen finnischen Soul-Sängerin namens Johanna Försti, deren Debütalbum er initiiert, produziert, co-geschrieben und federführend orchestriert, organisiert hat. Dabei jongliert Teppo “Teddy Rok“ Mäkynen bereits im Künstlernamen des Projektes mit seiner Stance Brothers-Identifikation, oder sollte ich sagen Mythologie.

Denn auch nach einem intensiven Interview mit der vermeintlichen Frau Stance, Johanna Försti, die uns ihr unglaublich beseeltes, stark auf den Soul der Sechziger Jahre schielendes, sehr schillernd und überzeugend umgesetztes Debütalbum “Jo Stance“ ausführlich erklärt, bleibt es weiterhin, wohl auch aus bewusster, bereits erwähnter Stance-Mythologie heraus, weitestgehend unklar, ob das Projekt Jo Stance denn nun ein Duo oder eben nur das Alter Ego von Frau Försti ist.

Der Albumuntertitel – “The Stance Brothers Introduces A Magnificent New Talent“ – kann zwar in seiner Kernaussage überzeugen - Johanna Försti ist wirklich beeindruckend in Intonation, Stimmumfang und natürlich wirkender Soul-Authentizität mit leichtem Augenzwinkern in Richtung Jazz und Spurenelementen von Electronica, verwischt aber nur einmal mehr den unverwüstlichen Versuch, die genaue Struktur des Jo Stance-Projektes um und mit Teppo “Teddy Rok“ Mäkynen und Sängerin Johanna Försti ergründen zu wollen.

Lassen wir also Johanna Försti selbst zur Stance-Thematik und zum brillanten Debütalbum “Jo Stance“, einer Perle des finnischen Retro-Soul mit Zeitgeist (einmal mehr bei Ricky-Tick Records erschienen und in Deutschland über den Groove Attack-Vertrieb zu beziehen), Jazz-Initiative und zeitgenössischen, rückbesinnenden Electronica-Zutaten (die CD erscheint übrigens in dem Thema angemessener Vinyl-Optik - das Album erscheint zugleich auch als Vinyl) zu Wort kommen. Dr. Chuck war im Auftrag des SOUL TRAIN so frei…

Dr. Chuck: “Jo Stance ist eine Kollaboration zwischen dir und Teppo “Teddy Rok“ Mäkynen, einer der schillerndsten finnischen Figuren der Schnittmenge aus Soul, Jazz und Groove. Wie kam es zum herrlich authentischen, retrospektiven, zugleich einzigartigen Sound des Jo Stance-Debütalbums mit gleichem Namen?”

Johanna Försti: “Ich hatte einige Solo-Experimente gemacht. Das war vor etwa zwei Jahren. Saxofonist Timo Lassy schlug mir schließlich vor, mit Teppo zu arbeiten. Natürlich kannte ich ihn. Denn neben seinem Bekanntheitsgrad als Top-Drummer Finnlands gingen Teppo und ich in die gleiche Schule. Damals bekam ich allerdings Unterricht, um eine professionelle Violinistin zu werden, deswegen hatten wir nicht wirklich viel gemeinsam. Aber 2009 begann schließlich unsere Zusammenarbeit. Wir haben die ganze Arbeit bei Teppo zu Hause erledigt. Wir komponierten und arrangierten alle Songs, spielten alle Instrumente ein (abgesehen von der Bläsersektion mit Timo Lassy am Saxofon und Jukka Eskola an der Trompete). Das Ganze war fast komplett echtes Handwerk. Teppo nahm die Demos auf ein Diktiergerät auf. Wir besprachen und konzipierten das ganze Album durch. Überwiegend war es Teppos unglaubliches Geschick als musikalischer Visionär und Produzent, das alles so zusammengefügt werden konnte, wie es schließlich auf dem Album zu hören ist….“

Dr. Chuck: “…was wohl auch der Grund ist, warum das Album derart selbstbewusst auf seinen eigenen musikalischen Beinen steht…”

Johanna Försti: “…genau - daher auch der eigenständige Sound des Albums… Das Album wurde alles in allem in einer Art “Lo-Fi“-Art aufgenommen. Es gab stets genügend Raum für Experimente, denn es gab ja nur uns Zwei, die alle Instrumente einspielten. Kein besonderes Equipment oder so. Der Fokus war, ein Album aufzunehmen, das unsere beiden musikalischen Vergangenheiten repräsentieren würde. Wir sind beide sehr stark von der Musik der Sechziger Jahre beeinflusst, von Soul, Rhythm & Blues, von Gospel und Jazz. Wir wollten aber nicht nur einfach ein Retro-Album machen. Es sollte ein Album werden, das ein magisches Moment hat, zugleich unsere musikalische Einflüsse einarbeitet und gleichzeitig zeitgenössisch ist. Sozusagen ein Album voller Songs anstatt Tracks.”

Dr. Chuck: “Du hast bereits einige Male die “geheime zweite Hälfte“ von Jo Stance, Teppo “Teddy Rok“ Mäkynen erwähnt. Da muss ich unbedingt noch einmal nachhaken…”

Johanna Försti: “Teppo ist ein brillanter Musiker und Produzent. Er hat eine klare Vision in seinem Kopf von dem, was er will. Unsere Zusammenarbeit hatte einen sehr guten Flow. Natürlich hatten wir auch einige schlechtere Tage, aber alles in allem hatten wir irren Spaß. Musikalisch habe ich eine MENGE von ihm gelernt! Tatsächlich ist Teppo die zweite Hälft des Jo Stance-Projektes, denn er war ein immens wichtiger Faktor in dessen Entstehung. Gleichzeitig wird man besonders Live auf der Bühne erleben, dass Jo Stance auch ich bin. Es ist kompliziert, weißt du…”

Dr. Chuck: “Auch nach Timo Lassy, neben Mäkynen wohl einer der international populärsten finnischen Jazz-Exporte, muss ich dich noch einmal fragen…”

Johanna Försti: “Timo hat die Bläser-Arrangements gemacht. Teppo und ich haben ein wenig geholfen… Ich hatte bereits einige Male zuvor mit Timo gearbeitet. Er ist einfach einer der besten Saxofonspieler, die ich kenne. Selbstverständlich spielt er Tenor-Saxofon in der Jo Stance-Live Band. Die heißt übrigens The Chasers… Er ist, nebenbei erwähnt, auch unser Band-Manager, gemeinsam mit Olli Suutela, das heißt, er ist derjenige, der unsere Gigs zu Geld macht! Wie Du siehst, wir versuchen, alles in der Jo Stance-Familie zu halten…”

Dr. Chuck: “Obwohl das Album so eigenständig ist, lehnt es sich zugleich doch sehr stark an musikalische Klangbilder der Sechziger Jahre, an den Soul der Sechziger Jahre, an.”

Johanna Försti: “Wir haben eine Menge alter und oft sehr mies klingende Mikrofone benutzt, alte Instrumente und alte Verstärker. Lo-Fi eben… Es gab viele Experimente. Teppos Hauptidee war dabei, einen Sound zu kreieren, der sich “Garage-Made“ anhört und so rau wie möglich klingt. Deshalb haben wir auch keine Programme benutzt, die den Sound bewusst “alt“ klingen lassen, sondern alles “au naturel“ gemacht und es somit so rau und kantig wie möglich klingen lassen.”

Dr. Chuck: “Authentisch also…”

Johanna Försti: “Wir haben versucht, Musik zu machen, die sich lange halten soll, lange Bestand haben soll. Heutzutage kommt dermaßen viel Musik heraus, dass es schwer ist, sich aus der Masse hervorzuheben. Die Menschen konsumieren Musik, gebrauchen sie, und schmeißen sie weg. Es gibt einfach zu selten echte Songs statt einfach nur Tracks. Wir haben versucht, das Album so zu gestalten, dass die Menschen es sich immer und immer und immer wieder anhören können. Und das möglicher Weise noch für viele, viele Jahre.”

Dr. Chuck: “Wie geht’s weiter mit dem faszinierenden Sound von Jo Stance?”

Johanna Försti: “Wir arbeiten bereits an Plänen und an Songs für ein weiteres Album, Teppo und ich! Wir perfektionieren zugleich gerade unsere Live-Band. Es gibt insgesamt Sieben von uns. Eine Live-Band zu perfektionieren ist wohl die wichtigste Sache im Moment, und ich muss sagen, dass ich nie zuvor mit einer solch entschlossenen Musikerriege gearbeitet habe! Jeder gibt 100% in jeder Probe und jedem Konzert. Wenn wir Konzerte geben, entwickeln wir unsere Songs auch in eine Art James Brown-Vibe. Du kannst also drauf wetten, dass unsere Gigs der Knaller sind! Wir fangen gerade an, durch ganz Finnland zu touren. Am 16. Juli werden wir beim international bekanntesten Finnischen Jazz Festival, dem Pori Jazz Festival, als Hauptgruppe auftreten…”

© Dr. Chuck

Teppo "Teddy Rok" Mäkynen

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